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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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auf die Wange.
    Sie verscheuchte ihn wie eine lästige Fliege, schloss die Türen des Busses und fuhr los. Er nahm hinter ihr Platz und deponierte seinen Rollkoffer und den anderen Kram vorschriftswidrig auf dem Nebensitz. Dann griff er um die gläserne Trennwand herum und schob den schwarzen Vorhang ein Stück beiseite, damit er Tanjas hübschen Rücken betrachten konnte.
    „Die Jungs haben dich vermisst“, sagte sie. „Wo hast du so lange gesteckt? Das Meeting war doch schon Samstag zu Ende. Du verschwindest einfach und meldest dich nicht.“
    „Du hättest mich ja anrufen können.“
    „Wozu? Um mir wieder anzuhören, dass du im Moment überhaupt keine Zeit hast, mit mir zu reden? Nein danke, das kenn ich zur Genüge. Also, wo bist du gewesen?“
    „Ich war noch mit einer Kollegin unterwegs und hab ihr die Stadt gezeigt“, sagte er und gratulierte sich zu diesem Satz. Warum sollte er lügen, wenn die Wahrheit es auch tat?
    „Ich wette, sie hatte brünette Haare und tolle Beine.“
    „Ja …“
    „Wusste ich’s doch.“
    „Bist du etwa eifersüchtig?“
    „Gegenfrage: Hätte ich Grund dazu?“
    „Schmarrn! Natürlich nicht.“
    „Hör mal, René, von mir aus kannst du Sightseeing machen, mit wem du willst. Die Jungs und ich kommen auch sehr gut ohne dich klar. Samstag hatten sie ein Punktspiel, das unentschieden ausging, und gestern Nachmittag waren wir im Heim. Mutti hat ihr Hörgerät wieder in das Glas mit dem Gebissreiniger geschmissen. Das Ding liegt auf dem Sideboard im Flur. Du musst es nachher zur Reparatur bringen. Der Akustiker weiß schon Bescheid. Bring gleich was zu essen mit. Der Kühlschrank ist leer.“
    „Mach ich. Soll ich dir noch was vom Meeting oder von der Frau mit den tollen Beinen erzählen?“
    „Nein, und jetzt hör auf, mich anzuquatschen. Ich muss mich konzentrieren.“
    Das ließ René sich nicht zweimal sagen. Während Tanja ihn durch die Stadt kutschierte, lehnte er schweigend hinter ihr in seiner Sitzecke und träumte zum Fenster hinaus.
    „Sieh zu, dass du den Kindern was zu essen kochst“, rief sie ihm nach, als er später in der Nähe ihres Hauses ausstieg. „Sie haben heute früher Schulschluss.“
    „Mach ich“, sagte er. „Pfiat di, mein Schatz.“
    „Pfiat di.“
    Franzl und Moritz hatten wohl schon auf ihn gewartet, denn als er die Haustür aufschloss, sprangen ihm die kleinen Ungeheuer gleich auf den Rücken und riefen: „Da bist du ja endlich. Wir haben schon auf dich gewartet. Mach uns den Ballack, ja? Biiitte!“
    Normalerweise war René ein begeisterter Fußballspieler, denn während seiner Kindheit im bayerischen Oberland war Sport das Einzige, was den Alltag auffüllen konnte. Aber heute fühlte er sich zu geschafft dafür.
    „Okay, aber nur Tischfußball“, sagte er. „Mama hat mir noch tausend Aufträge erteilt. Außerdem hab ich meinen Home-Office-Tag, wisst ihr doch.“
    „Immer dieses blöde Home Office“, sagte Franzl.
    „Ich hab Hunger“, sagte Moritz.
    „Also gut, dann lasst uns Spaghetti Bolognese kochen“, sagte René.
    Nachdem die drei gegessen hatten, verausgabten sie sich an der Platte, bis René ein einziger Schweißfleck war. Dann wurde es höchste Zeit für ihn, sich zu duschen und frisch einzukleiden. Er hatte nachher noch einen Termin bei seinem Internisten. Außerdem wollte er das Hörgerät seiner Mutter zur Reparatur bringen, seinen Wagen von der Inspektion abholen, ein Angebot für einen Großkunden fertigmachen und nicht zuletzt ein langes Telefonat mit Claudi führen. Diese abendlichen Gespräche waren zu einer festen Einrichtung zwischen ihnen geworden, und die mochte er nicht mehr missen.
    Es gab also jede Menge zu tun.

Kapitel 3: Vor achteinhalb Jahren
     
    Im Sommer lud Haverpore Chemical alle Vertriebsmitarbeiter zu einer viertägigen Schulung in ihren Stammsitz nach Boston ein. Sie sollten dort über eine neue Produktlinie gebrieft werden, die der Konzern weltweit auf den Markt bringen wollte. Obwohl Claudia schon im Vorfeld klar war, dass sie daraus nichts mitnehmen würde, was sie nicht schon wusste. Sie war natürlich trotzdem heiß darauf, daran teilzunehmen, denn bei der Gelegenheit würde sie René wiedersehen.
    Am Montag konnten sie sich auf dem Frankfurter Flughafen endlich in die Arme schließen.
    „Ich hab dich so vermisst“, sagte sie und bohrte ihr Gesicht in seinen Hals.
    „Ich dich auch“, sagte er, hielt sie fest und kraulte ihren Nacken und ihr Haar.
    „Manchmal hatte ich das Gefühl,

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