Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Dosenbier tranken und träge aus dem Fenster blickten, saß sie neben René auf dem Beifahrersitz und versuchte sich auf die Wasserlandschaft zu konzentrieren. Aber das gelang ihr nicht. Stattdessen setzte sie sich aufrecht hin, spielte mit den Fingern in ihren Haaren herum und schlug abwechselnd die Beine übereinander.
René schien es genau zu registrieren. Zu Anfang wechselten sie noch ein paar Worte miteinander, aber schließlich verstummten sie ganz. Dafür trafen sich ihre Blicke immer öfter über der Mittelkonsole, wobei es jedes Mal länger dauerte, bis sie sich wieder voneinander lösten. Und wenn sie dann endlich die Köpfe abwandten oder senkten, trafen sie sich gleich darauf noch mal.
Hinsehen, wegsehen, hinsehen, wegsehen …
Einmal reckte René seinen verspannten Rücken und legte dann wie zufällig seinen Arm auf Claudias Sitzlehne. Da huschte ein zarter Kitzel über ihren Rücken, und sie musste sich eingestehen, dass sie gern mit der Hand in seinen Nacken gefasst und seine Haare mit gespreizten Fingern nach oben geschoben hätte. Sie wollte ihn gern wieder küssen, aber weil das in dieser Situation nicht gut möglich war, nuckelte sie nur an der Wasserflasche herum, um die er kurz zuvor noch seine Lippen gelegt hatte.
Sie konnte sich der Faszination dieses Mannes nicht mehr entziehen, selbst wenn sie es gewollt hätte, und sie brannte darauf, ihn näher kennenzulernen.
Logisch denkende Frauen hätten der Geschichte spätestens jetzt einen Riegel vorgeschoben. Die zwangen sich, geradeaus zu sehen, wenn es heikel wurde. Aber Claudia konnte das nicht. Sie war total unlogisch, wenn ein Mann es geschafft hatte, ihre Gefühle aus dem Tiefschlaf zu zerren.
Und René hatte es geschafft.
Die Fahrt auf dem Highway konnte sie komplett vergessen, zumindest unter touristischen Gesichtspunkten. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut. Aber hier und jetzt hatte sie für den blauen Himmel, das türkis schimmernde Meer und das karibische Flair der Inseln keinen Sinn, genauso wenig wie für die wunderschönen Häuser in Key West. Selbst der malerische Friedhof, auf den die Kollegen sie schleppten, war ihr egal. Sie hatte nur noch Augen für René, und er für sie. Es knisterte zwischen ihnen, und zwar so heftig, dass die Härchen auf ihrem Unterarm senkrecht standen. Das war so heiß und romantisch … Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass man Blicke im wahrsten Sinne des Wortes spüren und dass sie warme Druckstellen auf der Haut hinterlassen konnten.
Aber es ging nicht nur um das Körperliche. Dieser Mann war auch sonst so aufmerksam und hilfsbereit, dass Claudia es kaum fassen konnte. Wenn sie aus dem Auto stieg, hielt er ihr die Tür auf, wenn sie Durst hatte, reichte er ihr die Wasserflasche zuerst, wenn sie über ein Hindernis klettern musste, hielt er ihre Hand fest und stützte sie, bis sie wieder Fuß gefasst hatte …
So viel männliche Fürsorge war sie gar nicht gewohnt, und das Erstaunlichste war: Obwohl René fleißig Sympathiepunkte bei ihr sammelte, schien er kein Softie zu sein. Er frotzelte auch mal herum und zog sie, die anderen und sich selbst durch den Kakao. Sein Sinn für Humor war etwas gewöhnungsbedürftig, zugegeben. Aber sonst war er ein interessanter, attraktiver und überaus liebenswerter Mensch, der ihr schnell ans Herz wuchs.
Ob er auch etwas für sie empfand? Sie hoffte es inbrünstig. Wer Autotüren aufhielt, Wasserflaschen reichte und Hände stützte, musste doch auch etwas für den verspüren, dem er diese Wohltaten zukommen ließ, oder?
Nach dem langen Ausflug kamen die fünf erst spät ins Hotel zurück. Obwohl dies ihr letzter Abend in Florida war, verabschiedeten sie sich gleich nach dem Restaurantbesuch voneinander und zogen sich auf ihre Zimmer zurück. Für weitere Unternehmungen fehlte ihnen einfach die Energie.
Den meisten jedenfalls. Nicht allen.
Claudia zog sich oben sofort aus, stieg unter die Dusche und ließ lauwarmes Wasser über ihren erhitzten Leib fließen, bis sie sich erfrischt fühlte. Dann trocknete sie sich ab, cremte ihre Haut ein, föhnte sich die Haare, bis sie ihr wie ein dunkler Seidenvorhang über die Schultern fielen, putzte sich die Zähne, tuschte ihre Wimpern und kramte ihr letztes sauberes Sleepshirt aus dem Rollkoffer hervor. Es war zugleich ihr bestes und schönstes. Sein warmes dunkles Himbeerrosa passte perfekt zu ihren Haaren und war genau das Richtige, wenn man die Rolle der Verführerin einnehmen wollte.
Und das wollte sie. Sie
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