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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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plötzlich furchtbar viel passiert, und gleichzeitig schwirrte eine schreckliche Menge aller möglicher miteinander verhedderterGefühlserinnerungsbilder in mir herum, sobald ich die Vorfälle in Kerava auch nur ansatzweise in meine Gedanken einließ. Das fühlte sich nicht ausschließlich gut an, aber rasch schob sich etwas dazwischen. Eine Art Membran.
    »Nein«, sagte ich dann piepsiger als beabsichtigt. Ich sah über die Dächer hinweg, wo langsam und schief Dampf- und Rauchschwaden krochen und wirkten, als würden sie frieren. »Sie haben nichts gefragt.«
    Als mich Virtanen dann bloß mit Blicken löcherte, nach dem Motto, jetzt verheimlicht sie mir was, redete ich weiter. Ich wiederholte ungefähr, was mir Irja ungefragt am Telefon erzählt hatte; ich hätte mich auch gar nicht getraut, etwas zu fragen. Letzten Endes hatte sie alles sozusagen in zwei Punkten verdichtet, zum einen dass Arja, die Mutter des verstorbenen Jungen, von der Beerdigung ebenso wenig in Erinnerung behalten hatte wie von den Tagen zuvor, und zum anderen dass ihr Mann, obwohl er Polizist war, keine, na ja, Polizei auf den Friedhof gerufen hatte. Dass die Tochter von Hätilä Probleme mit dem Gleichgewicht hatte, wie Irja es diplomatisch formulierte, war in der Gegend schon seit längerer Zeit bekannt.
    Virtanen sah in den anbrechenden Abend hinaus. Gegenüber versuchte ein von der Kälte gezeichneter Teenager ins Haus zu kommen, schaffte es mit seinen handschuhlosen Händen aber einfach nicht, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Virtanen verlor sich in die Betrachtung der Prozedur, wobei er aus irgendeinem Grund zutiefst besorgt wirkte, sagte aber, sobald der Bursche endlich im Haus war: »Furchtbar traurig.«
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Aber ich meine, gut, dass es für dich, äh, gut ausgegangen ist. Beziehungsweise. Wie es halt ausgegangen ist. Hoffentlichgut. Und den anderen möchte man auch nur das Beste wünschen.«
    »So ist es«, sagte ich. »Das möchte man ihnen wünschen.«
    »Auch den Unangenehmen beziehungsweise der einen. Wo die doch bloß eine Meise hat.«
    »Stimmt«, sagte ich erneut, aber jetzt lagen Gewicht, Bedeutung und Einverständnis in meiner Äußerung.
    Nachdem wir eine Weile zusammengesessen und vor uns hin geschmurgelt hatten, machte ich mich trotz aller Entspanntheit und Ruhe ans Aufbrechen. In mir hatte sich ein bläuliches Gefühl eingestellt, eine Art Wehmut wegen all dem Schlechten, das einem begegnete, andererseits war es auch tröstlich, dass sogar einer wie Virtanen Mitgefühl für unbekannte Menschen aufbringen konnte, obwohl er selbst so ein Misthaufen war. An der Tür sah er mich mit seinen wässrigen Augen richtig an, kratzte sich unter dem Kinn und bedankte sich, dass er hatte dabei sein dürfen. Dann frischte er aber schlagartig auf, ploppte in die Wohnung zurück und kehrte gleich darauf mit einem Wisch zurück, den er mir überreichte. Er sagte, das habe er fast vergessen, ich hab ja auch ein Geschenk für dich, ein Weihnachtsgeschenk, frohe Weihnachten.
    Ich betrachtete den laminierten Zettel, auf dem alles Mögliche stand, unter anderem das Kennzeichen fürs Anwohnerparken. Mit einem Locher war in einer Ecke ein sauberer kleiner Kreis ausgestanzt und dort dann etwas unbeholfen mit einem langen rosa Gummiband eine blaugold eingewickelte Schokoladensüßigkeit befestigt worden. Ich sah Virtanen an, vollkommen verdattert, und bedankte mich. »Bis bald«, sagte er.
    »Wir sehn uns bestimmt«, sagte ich und schloss die Tür, wobei ich die Tränen hinunterschluckte.
    Auch draußen auf der Straße war es blau. Die windstille Kälte legte sich wie eine Hülle auf die Haut und schien sofort die Wimpern zu vereisen. Auf dem Markt waren sämtliche Zelte verschwunden, und angesichts der lächerlich wenigen Verkaufsstände hielt es anscheinend niemand für nötig, das Pflaster abzuspritzen. Bei den Temperaturen wäre eine Wasserbehandlung allerdings wohl auch unmöglich gewesen. Als ich über den Marktplatz ging, fiel mein Blick auf einen Wollstrumpf in Kindergröße, rosa und mit zwei bräunlichen Streifen versehen, wobei ich die Farbe anhand der Streifen nur schwer bestimmen konnte, da zu dem ganzen Blau ringsum auch noch das aufkeimende Gelb der Straßenbeleuchtung hinzukam. Ein bisschen unheimlich war er, der Strumpf, sosehr er einem auch zu Herzen ging; unwillkürlich suchte man nach seinem Inhalt, befürchtete, irgendwo am Rand des Marktplatzes könnte ein verstoßenes Kleinkind liegen. Ich weiß

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