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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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nicht, aber leicht und irgendwie frisch belaubt. Eigentlich war nichts anders als sonst. Ich wachte auf, ging in die Markthalle von Hakaniemi, trank einen Kaffee auf dem Platz davor, kehrte heim, kochte, aß, blätterte durch eine Zeitschrift, machte die Wäsche, spazierte zur Linnunlaulu-Brücke und zurück, nickte kurz vorm Fernseher ein, legte mich ins Bett. Beim Einkaufen und beim Kaffeetrinken kam ich nicht viel zum Reden, nicht dass ich mich groß nach Plauderei gesehnt hätte, mir war einfach nicht danach, ich brauchte es erst gar nicht zu versuchen, musste mir nicht in der Ecke des Kaffeezeltes überlegen, ob ich der Wirtin was Geistreiches übers Wetter sagen sollte oder nicht.
    Und so ging ich dann und saß herum und guckte mich um auf dem Markt, beobachtete alles Mögliche: die vorübergehenden Leute mit ihren vielförmigen Tragelasten, den marktbekannten Penner, der Tag für Tag seine Mutter besuchen wollteund jeden Tag von jedem Passanten Geld für den Bus brauchte; den riesigen, feuerroten Fischhändler, der von selbst anfing zu feilschen, wenn ein Kunde nicht kapieren wollte, was gut für ihn war; die gemütlich blitzblanke Erscheinung der Kaffeedame samt ihrer stattlichen Warze auf der Nase; die vertrocknete Frauensperson am Blumenstand, die verblüffend kunstvolle Sträuße band, obwohl an ihrer rechten Hand Mittel- und Ringfinger fehlten. Bisweilen verlor ich mich in der ausgiebigen Betrachtung der Möwen und Spatzen, ein bisschen so, als würde ich spätnachts gleichgültig ein sinnloses Autorennen oder Musikvideos angucken. Hauptsache, es wurde gehüpft und geflattert, Hauptsache, es bewegte sich was.
    Einmal verbrachte ich zehn lange Minuten damit, einen Kaugummi, der an einem Pflasterstein klebte und ganz schwarz getrampelt worden war, anzustarren und mich zu fragen, wie viele Jahre er dort schon darauf wartete, abgekratzt zu werden. Und da musste ich ihn wegmachen. Zuerst pulte ich mit dem Plastiklöffel an ihm herum, danach, als das Werkzeug brach, mit dem Schlüssel. Als ich den Klumpen schließlich entfernt hatte, warf ich ihn in den Müll.
    Dann war ich auch schon wieder auf dem Heimweg. Ich hatte Hühnerleber gekauft, Kartoffeln waren noch im Haus und Zutaten für die Soße ebenfalls, Sahne und Zwiebeln, viel mehr braucht eine Leber nicht, mein Hunger war bereits beträchtlich und der Durst auch, der Kaffee hatte für den Flüssigkeitshaushalt nicht viel gebracht, und ich hatte es ohnehin eilig, aus dem Kaffeezelt hinauszukommen, nach der Kaugummistocheraktion. Ich ging am Sparkassenufer entlang auf das Haus zu, in dem ich wohnte, als mir plötzlich flau wurde und ich mich auf eine Bank setzen musste. Das Meer sah fettig aus,irgendwie salbenartig, und ein bisschen spiegelte sich darin der Himmel. Aus einer Wolke auf der Wasseroberfläche tauchte eine Ente auf, als hätte die Himmelszuckerwatte einfach so einen Wasservogel auf die Welt gebracht, der seine Geburt vollkommen gleichgültig hinnahm.
    »Istmit Ihnenallesokay?«, fragte jemand.
    Ich blickte vom Sand auf, dessen einsilbigem Formenspektrum ich schon eine ganze Weile meine Konzentration geschenkt hatte, um mich von meinem Schwächegefühl abzulenken, wie mir in diesem Moment auffiel. Vor mir standen zwei übertrieben geschminkte und untertrieben gekleidete Teenagermädchen, von denen sich vor allem das vor dem ruhigen Meer geradezu wahnwitzig wirkende Pink einprägte.
    Eine Zeitlang strampelte ich in meiner Unfähigkeit, etwas zu sagen. Ich war schon nahe daran, etwas über das verdächtig gute Benehmen der Jugend von heute hervorzusprudeln, aber dann konnte ich es doch nicht, manchmal ist es einfach unmöglich, all die Schaumblasen, die einem in Gedanken platzen, bis über die Lippen zu befördern. Immerhin gelang es mir zu seufzen und zu sagen: »Ja.« Gern hätte ich ein Danke angehängt, aber die Laute verdorrten mir irgendwo auf Höhe des Kehlkopfes.
    Beide setzten sich auf die Bank, neben mich, legten ein Bein übers andere und ließen ihre Jugend perlen. Die eine erzählte der anderen etwas Wirres von einem gewissen Max und zwei anderen Gestalten mit hanebüchenen Spitznamen, Ich raff das echt nicht, Oh Mann, echt krass, Und weißt du was er dann so gemeint hat?, Was’n?, Er hat so gemeint, ich hätt voll die guten du weißt schon, Echt?, Ich nur so: hä?, Ich glaub ich spinne, Mir ist total das Kajal verlaufen, Echt?, Total. Ichsaß schutzbedürftig gekrümmt am Rand der Bank und drehte den Kopf so vorsichtig wie möglich.

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