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Der Tag der zuckersueßen Rache

Der Tag der zuckersueßen Rache

Titel: Der Tag der zuckersueßen Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Moriarty
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auf Lyd, weil sie uns ein schlechtes Gewissen machen wollte. EINEN GANZEN MONAT LANG redeten wir kein Wort mehr mitein ander. Es war, als hätte sich die Welt in einen fremden Planeten verwandelt, wenn ich durch die Schule ging und Em oder Lyd sah, die gar nicht mehr Em oder Lyd waren, sondern fiese Fremde mit einem merkwürdigen kleinen Lächeln im Gesicht. Unser Streit endete schließlich, als ich Emily eines Tages wei nend hinter dem Tennisplatz fand. Ich sagte: »WARTE HIER UND RÜHR DICH NICHT VOM FLECK.« Dann rannte ich los und holte Ly dia, und wir trösteten Em und sie weinte und weinte und sagte: »Wann bekomme ich endlich wieder einen Geheimauftrag?« Lydia sagte: »Noch ehe der Tag vorbei ist, werdet ihr beide einen Geheimauftrag in euren Taschen finden.« So war es. Und der Geheimauftrag lautete: »Trefft Euch am Wochenende bei Lydia und backt zusammen einen Kuchen für Ms Ralph, um Euch bei ihr zu entschuldigen.« Und das taten wir. Ms Ralph freute sich so über unseren Kuchen, dass sie Glitzertränen in den Augen hatte und uns am liebsten umarmt hätte. Dann schrieb Lydia auch noch eine Eins minus in ihrer Physikklausur, weil sie manchmal so was tut, wenn ihr danach ist. Und Ms Ralph liebte uns umso mehr. Puh, der Brief ist ganz schön lang geworden, was? Die Therapeutin fragte mich, ob ich eine nette Person zum Reden gefunden hätte. Und ich sagte, ja, einen Trompetenspieler namens Matthew Dunlop, und dass ich ihm von meinem Leben erzählen würde. Woraufhin sie mir wieder das Band mit dem Applaus vorspielte.
    Liebe Grüße
Cassie
     
     
    Cassie, nachdem ich Dir die Augäpfel herausgerissen habe, breche ich
    Dir die Finger, schön langsam, einen nach dem anderen.
    Matthew
     
     
    Lieber Matthew,

wirklich seltsam, denn meine Finger sind das andere, was gut an mir ist. Sie sind abnormal lang und ich kann beim Klavierspielen sogar eine Dezime greifen (eine kleine oder eine große), und ich bin ziemlich geschickt mit Schlössern, damit will ich wirklich nicht angeben; ich habe einfach nur Glück gehabt. Übst Du oft Trompete? Klavierspielen mit kalten Händen ist ziemlich schwierig und ich frage mich, ob das auch für Trompeten gilt. Als ich klein war, hat te ich eine Katze, die Giraffe hieß, weil sie einen seltsam langen Hals hatte, und ich wärmte mir immer die Hände an ihr, ehe ich spielte. Sie war wie ein Handwärmer. Gestern Abend fragte die Therapeutin meine Mutter und mich nach unseren größten Ängsten und ich sagte, meine größte Angst sei, bei meinem Klaviervorspiel zu versagen. Das war glatt gelogen, vor allem, weil ich dieses Jahr an keinem Klaviervorspiel teilnehme. Ich sollte Dir mehr von der Therapeutin erzählen. Sie heißt Claire und wird von der Kanzlei meiner Mutter bezahlt. Sie haben Mum sechs Monate kostenloser Familientherapie spendiert, was meiner Meinung nach bedeutet, dass sie nicht mehr so viel arbeitet und ihre Bosse sie auf die Beine bringen wollen, damit sie wieder so viel Geld für sie reinholt wie früher. Claire trägt bunte Kleider, vor denen man unwillkürlich etwas zurückweicht, wenn man sie zum ersten Mal sieht. Ich finde, ihr Gesicht ist nicht interessant genug ist für so viel Farbe. Es verschwindet irgendwie.
    Ich hatte ein bisschen Schuldgefühle, weil ich Claire in ihr unsichtbares Gesicht gelogen habe. Weil ich ihr erzählt habe, meine größte Angst sei, beim Klavierspielen durchzufallen. Deshalb erzählte ich ihr später in der Sitzung noch etwas Wahres von mir. Ich erzählte ihr, dass ich ständig das Bedürfnis hätte, meinen rechten Arm in die Luft zu strecken. Ich glaube, sie dachte, ich habe es erfunden, um mich über sie lustig zu machen oder so. Sie schaute mich misstrauisch an, aber Tatsache ist, dass es wirklich stimmt: Beim Frühstück, beim Fernsehen oder bei den Hausaufgaben – immer wieder habe ich plötzlich diesen schrecklichen Drang, meine Hand in die Höhe zu strecken. Manchmal, wenn ich alleine bin, tue ich es sogar. Ich höre dann tatsächlich mit Klavierspielen auf und recke die Hand in die Luft, weißt Du, wie ein Schüler im Unterricht, der aufs Klo muss. Ich komme mir immer ziemlich bescheuert vor, wie ich da so auf dem Klavierstuhl sitze, eine Hand in der Luft, und dann nehme ich sie wieder runter und spiele weiter. Denkst Du, ich bin verrückt? Claire hat das bestimmt gedacht.
    Viele Grüße
Cassie
     
     
    Cassie, ich bin es leid, mir ständig neue Drohungen für Dich auszudenken.
    Matthew
     
     
    Lieber

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