Der Tag wird kommen

künstlichen Gebärmutter heranwachsen lässt.
    Wenn ich Andreas umbringe, töte ich dann nicht auch Fera?
    Fera würde sich vielleicht selbst opfern, aber ich weiß nicht, ob ich sie opfern kann. Ich will sie doch retten.
    Ich lasse den Reißverschluss los, nehme die Tasche und schleiche nach Hause.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir unendlich viel Zeit auf die Planung von Gunnars Vernichtung verschwenden können. Je länger die Planungsphase angedauert hätte, desto größer wäre meine Chance gewesen, in Andreas’ Clique zu bleiben, und desto kleiner das Risiko, wieder Prügel zu beziehen. Meinetwegen hätten wir uns bis zu den Sommerferien beratschlagen können. Ich hätte auch etwas Eleganteres und weniger Grausames vorgezogen, um ehrlich zu sein. Aber Andreas hält nichts von Samthandschuhen. Er mag es grob und brutal. Wir reden hier schließlich von dem Jungen, der wahrscheinlich den Weltuntergang herbeiführt. Den ich nicht daran hindern kann, dass er den Weltuntergang herbeiführt. Damit Fera geboren wird.
    Sofus hat sich einen ordentlichen Statusaufstieg verschafft. Er hat sich irgendwie Fotos besorgt, die unsere Mädchen unter der Dusche zeigen. Sogar ich bin beeindruckt. Lauter Brüste und Hintern und Mösen mit Seifenschaum und nassen Haaren. Buchstäblich der feuchte Traum eines Pädo-Lehrers.
    Wir sind wieder im Büroflur der Schule. Die Schule ist leer, abgesehen von ein paar Kursen, die hier und da im Gebäude stattfinden. Andreas steht Schmiere. Ich vertraue keine Sekunde lang darauf, dass er mir hilft, falls wirklich jemand kommt, aber vielleicht schlägt er wenigstens Alarm. Dann kann ich aus dem Fenster springen und hoffen, dass ich überlebe.
    Ich habe natürlich den riskantesten Job, so ganz allein in der Etage der Lehrer. Sie haben jeder ihre Box, geschmückt mit Topfpflanzen oder zugemüllt mit leeren Kaffeebechern und Bücherstapeln. Gunnars Platz ist leicht zu finden. Er hat ein Filmplakat an die Wand gepinnt. Ein Mann und eine Frau . Einer von Mums Lieblingsfilmen, den ich mit ihr zusammen ansehen musste, und am nächsten Tag hat sie ihn sich gleich noch mal angeguckt. Wer weiß, in welche romantischen Träume Gunnar sich versteigt, wenn er den Blick vom Laptop hebt und auf dem Paar ruhen lässt, das sich lächelnd in die Augen blickt. Pech für Gunnar, dass er offenbar keine Lust hat, den Laptop mit nach Hause und am nächsten Tag wieder hierherzuschleppen. Er denkt wohl, der ist sicher in dem abgeschlossenen Büro. Aber die Alarmanlage wird erst eingeschaltet, wenn alle Nachmittagskurse zu Ende sind. Und Andreas hat natürlich von fast allen Schlüsseln des Hausmeisters eine Kopie. Wir brauchten nur zu warten, bis der letzte Lehrer mit seinem Kram fertig war, und uns reinzuschleichen. Die Schule hat Überwachungskameras, aber nur draußen. Ehrlich gesagt hätte Andreas das auch gut ohne mich geschafft, aber ich bin derjenige mit den guten Ideen, ich bin derjenige, der am meisten davon hat, wenn Gunnar verschwindet, also bin ich selbstverständlich auch der, der das Verbrechen begehen muss. Und wenn jemand kommt, muss ich es ausbaden.
    Ich schalte Gunnars Rechner ein. Ich hatte erwartet, dass ich gestresster wäre, nervöser. Aber ich bin ganz entspannt. Ehrlich gesagt ist mir ziemlich egal, ob ich geschnappt werde. Nur blöd, dass Mum dann traurig sein wird. Aber das wird sie ja auch, wenn ich nicht erwischt werde.
    Ich habe viel zu kompliziert gedacht. Man muss kein Computer-Nerd sein, um ein paar Fotos auf einen fremden Rechner zu schmuggeln. Man muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Auf eine Art hoffe ich, dass das hier schiefgeht. Gunnar hat das nicht verdient. Ich will ihn ja nur von Mum weghaben. Sobald Andreas den anonymen Hinweis gibt, dass Gunnar heimlich Fotos von Schülerinnen unter der Dusche macht, ist sein Leben zerstört. Wobei es ja nicht schlecht ist, wenn er von der Schule verschwindet, aber nach ihm kommt garantiert ein anderer. Lehrer bleibt Lehrer, es macht keinen großen Unterschied, ob man einen durch den anderen ersetzt. Hätte Gunnar es nicht auf Mum abgesehen, würde ich sogar sagen, dass ich ihn vorziehe.
    Ein Passwortfenster poppt auf dem Bildschirm auf, und für eine Sekunde denke ich, das ist der Ausweg, ich kann Gunnars Passwort nicht erraten. Aber er enttäuscht mich schon wieder. Wie die meisten Leute hat er sich nicht die Mühe gemacht, seinen Rechner mit einem Passwort zu schützen, und ich kann das Fenster einfach