Der Tag wird kommen
Erwachsener? Ich erkenne es zuerst mit dem Bauch. Mein Kopf braucht etwas länger.
Dann zerreißt das Bild wieder und der Bildschirm füllt sich mit grünem knisterndem Staub. Ich klopfe auf den Monitor, obwohl nur Idioten glauben, man könnte den Kontakt zur Zukunft mit einem zielge richteten Schlag auf den Monitor wiederherstellen. Sie darf jetzt nicht verschwinden.
Es dauert ein paar lange Minuten, dann kommt Fera zurück, aber irgendwas stimmt nicht. Es ist nicht nur ein schlechter Kontakt oder eine Störung in der Übertragung. Fera wirkt ängstlich. Das Zimmer wa ckelt oder ist es nur die Kamera?
»Was ist los, Fera?«
»… Erdbeben …«
Das Wackeln wird immer kräftiger. Fera hat Mühe, sich auf den Beinen zu halten, sie sieht verzweifelt aus.
»Hans Petter! Ich weiß nicht, wie das hier ausgeht. Ich muss dir was sagen!«
»Dann sag! Mach schnell!«
»Der Diktator! Du solltest wissen …«
Ich habe das Gefühl, dass ich ihr helfen muss, nur wie? Ich bin ja ganz woanders, zeitlich und räumlich. Der Ton ist weg, aber hinter dem grünen Schnee sehe ich, wie das Wasser im Aquarium heftig schaukelt. Fera läuft darauf zu, doch sie erreicht es nicht mehr. Es rutscht gegen die Wand und das Glas zerbricht. Ich sehe einen roten Fisch in einem Sturzbach von Was ser, dann wird das Bild schwarz.
Liebe Fera,
was ist passiert? Es sah aus wie ein mächtig schweres Erdbeben. Ich mache mir solche Sorgen, dass du verletzt bist oder so was. Kannst du mir Bescheid geben, ob du okay bist?
Dein Hans Petter
Sie antwortet natürlich nicht. Sie ist natürlich nicht online. Eine Mail ist vollkommen sinnlos. Ich will ihr helfen, aber ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich kann nur hier sitzen und verzweifelt sein.
Sie hat die Wahrheit gesagt.
Sie ist aus der Zukunft.
Sie hat die Wahrheit gesagt und ich habe ihr nicht geglaubt.
Ich schiebe meinen Stuhl zurück, beuge mich vor und donnere mit der Stirn auf die Schreibtischplatte. Es tut weh, aber das brauche ich jetzt. Mein Gehirn muss wieder an seinen Platz. Ich schlage noch mal auf.
Das hat gesessen.
Ich schließe die Augen, presse die Hände auf die wachsende Beule an der Stirn und lehne mich zurück. Tränen steigen mir in die Augen.
Sie hat ausgesehen, als glaubte sie, das sei das Ende. Ich habe vielleicht meinen einzigen Freund verloren, und sie hat mir nicht mal mehr das sagen können, was sie sagen wollte. Sie hat es gerufen, während die Erde bebte, es muss wichtig gewesen sein.
Alles dreht sich hinter der pochenden Stirn. Die Gedanken sausen im Chaos-Karussell herum. Ich denke an alles, worüber wir gesprochen haben, an die vielen Dinge, die anders waren, als ich geglaubt habe.
Fera wollte mir etwas über den Diktator sagen.
Und sie hat sich mit Andreas beschäftigt.
Sie hat mit mir über Hitler gesprochen und wollte wissen, was ich tun würde, wenn ich die Möglichkeit hätte, die böseste Person der Zeitgeschichte kennenzulernen. Sie konnte nicht durch die Zeit reisen, nur mit mir reden. Sie konnte Hitler nicht töten, aber es war ja nicht Hitler, von dem sie gesprochen hat. Es war Andreas. Deshalb hat sie mich angechattet. Wer ist der böseste Mensch, von dem Fera weiß? Der Diktator. Und der Diktator ist Andreas.
Ich habe immer gedacht, Andreas’ große Zeit wäre jetzt. Aber er ist erst am Anfang, ganz klar. Es ist lebensgefährlich, Typen wie ihn zu unterschätzen. Allein die Art, wie er mir ewig gedroht hat, bevor er mich tatsächlich verprügelte. Er hat das genossen. Und wie er sich dumm gestellt hat, um mich dazu zu bringen, Gunnar für ihn fertigzumachen. Er ist viel gerissener, als sein tonnenförmiger Körper vermuten lässt.
Fera hat Kontakt zu mir aufgenommen, weil sie jemanden brauchte, der den Diktator aufhalten kann, bevor er zu viel Macht gewinnt. Wer könnte sich besser dazu eignen als jemand, von dem sie weiß, dass er ihn hasst. Einer, der clever ist. Einer, der die Welt retten kann.
Andreas muss weg. Das wird unser aller Leben besser machen. Er ist alt genug, um für seine Taten zur Verantwortung gezogen zu werden. Und jung genug, um ihn auf einfache Weise auszuschalten. Bevor er die Gelegenheit hat, eine politische Bewegung zu gründen, bevor er paranoid wird und sich mit Leibwächtern und Ähnlichem umgibt. Wenn ich nur nicht so ein hilfloser Schwächling wäre. Ich muss einen Weg finden, wie ich es schaffen kann. Ich muss mich zusammenreißen. Fera zuliebe. Ich habe das Gefühl, dass es eilt, dass ich sie retten
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