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Der tanzende Tod

Der tanzende Tod

Titel: Der tanzende Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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die Kraft in all meine Glieder zurückgekehrt. Ich war befriedigt, in jedem Sinn des Wortes.
    Dann blickte ich hinüber zu Oliver.
    Der goldene Schein des Laternenlichtes ließ nicht die Illusion aufkommen, es ginge ihm gut. Sein Gesicht hatte eine sehr blasse Färbung angenommen, und sein Umhang schien ihn nicht zu wärmen. Er zitterte von Kopf bis Fuß und stellte ein Elend zur Schau, welches so deutlich fühlbar war, dass ich seine Macht wie einen Windstoß spürte.
    Reumütig, dass ich ihm eine solche Pein bereitet hatte, erhob ich eine Hand, aber ich berührte ihn nicht, aus Furcht, er könne zurückzucken.
    Ich hatte erwartet, dass die Angelegenheit eine abschreckende Wirkung auf ihn ausüben würde – denn es ist eine Sache, zu hören, wie etwas vonstatten geht, aber eine ganz andere, dabei zuzusehen –, aber ich hatte nicht erwartet, dass die Abschreckung dermaßen groß wäre.
    »Es ist in Ordnung«, sagte er rasch, wobei er seinen starren Blick nicht von dem meinen wandete. »Lasse mir nur einen Moment.«
    »Es tut mir Leid«, flüsterte ich.
    »Leid – wofür?«, verlangte er zu wissen, nachdem er einige Male tief Luft geholt hatte. »Du tust, was du tun musst, um zu leben. Wenn dies beinhaltet, dass du zuweilen ein wenig Blut trinkst, was macht das aus?«
    Wahrhaftig, was macht das aus mir?, dachte ich. Was bin ich? Ich hatte keinen Namen für meinen Zustand, außer jenem, mit welchem mich ein erschrockener hessischer Soldat bedacht hatte. Blutsauger. Ich hatte dieses Wort niemals gemocht. Es ließ mich an Spinnen denken und daran, wie sie ihrer lebenden Beute das Leben aussaugten. Pfui. Kein Wunder, dass der arme Oliver einige Schwierigkeiten mit dieser Vorstellung hatte.
    Er fuhr fort. »Beachte mich überhaupt nicht, ich bin lediglich mit einer lebhaften Fantasie geschlagen.«
    »Was hat dies damit zu tun?«
    Er zeigte mir ein verzerrtes Lächeln. »Die meiste Zeit habe ich sie gut unter Kontrolle, aber heute Nacht, mit der einen Sache und der anderen ...«
    »Worüber sprichst du?«
    »Über den Ruin meines Lebens als Arzt, aber nur, wenn ich ihr freien Lauf lasse. Ich muss sie streng unter Kontrolle halten, wenn ich mich mit einem Patienten beschäftige, sonst wäre ich alles andere als gut.«
    »Oliver –«
    Er machte eine Handbewegung, um meinen allmählich aufkommenden Ärger zu beschwichtigen. »Während du soeben mit deiner Aufgabe beschäftigt warst, war der Arzt in mir mit der seinigen beschäftigt. Zuerst ging es mir gut; ich habe dich beobachtet und alles registriert, was es zu registrieren gab. Dann begann ich mich zu fragen, wie es wohl sei, mich an deiner Stelle zu befinden und all das Blut hinunterzuschlucken, als ob es sich dabei um eine ebensolche Menge Ale handle, jede Nacht, ob es mir nun gefiele oder nicht. Als sich mein Geist erst einmal darauf konzentriert hatte, all dieses Trinken von Blut, und den Geruch und Geschmack davon ... nun, ich konnte den Gedanken nicht mehr abschütteln, also ist diese dumme Reaktion mein eigener verdammter Fehler.«
    »Ich hätte dies nicht zulassen dürfen.«
    »Beim Tode Gottes, Mann, denkst du, dies sei schlimm? Dann hättest du dabei sein und mich bei der ersten Amputation sehen sollen. Fünf der Studenten fielen in Ohnmacht, und ich gehörte zu dem Dutzend anderer, welche sich ihres letzten Mahles entledigten. Manchmal kann ich noch immer die Schreie des armen Teufels und das Schaben der Knochensäge hören. Im Vergleich damit war dies überaus harmlos. O Himmel! Aber ich würde sagen, dieses Mal habe ich mich wacker geschlagen.«
    »Oliver, du bist –«
    »Ein kompletter Esel? Der wie ein Wasserfall redet? O ja, dessen bin ich mir sicher, aber selbst ein Esel lernt zuweilen Dinge hinzu, um in der Welt voranzukommen. Manchmal ist die Lektion einfach und angenehm und manchmal auch nicht, aber das spielt keine Rolle, denn das Wissen ist das Ziel.«
    »Und du hast durch diese Angelegenheit Wissen erlangt?«
    »Das habe ich in der Tat, und von nun an werde ich es nicht mehr so leicht nehmen, wenn du versuchst, mich bezüglich irgendeines Aspektes deines Zustandes zu warnen. Dass du im Keller so unvermittelt verschwunden bist, hat mich zu Tode erschreckt, weißt du. Ich dachte, mein armes Herz würde auf der Stelle aufhören zu schlagen.«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich dachte, dass du, wenn ich es täte, Bedenken bekommen und mich nicht zusehen lassen würdest. Ich schäme mich sehr für mich selbst. Nach all den Aderlässen, welche

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