Der Tempel der Ewigkeit
nur reden würde, wenn er mit ihm allein war.
«Folge mir, Abner.»
Ein ägyptischer Baumeister erhob Einwände.
«Dieser Mann hat einen schweren Fehler begangen. Wenn du ihn von seiner Schuld freisprichst, beleidigst du seine Gefährten.»
«Ich werde ihn verhören. Danach werde ich eine Entscheidung fällen.»
Der Baumeister verneigte sich vor dem Oberaufseher über die königlichen Baustätten, der den höheren Rang innehatte. Wäre Abner Ägypter gewesen, hätte Moses sich nicht als so einfühlsam erwiesen. Seit einigen Wochen ließ er deutlich erkennen, daß er die Hebräer bevorzugte. Das würde sich letzten Endes gegen ihn richten.
Moses hieß Abner auf seinen Wagen steigen und band ihn mit einem Lederriemen fest.
«Genug der Stürze für heute, findest du nicht?»
«Ich flehe dich an, vergib mir!»
«Jetzt höre auf zu jammern, und erkläre mir alles.»
Vor dem Haus, das Moses bewohnte, lag ein kleiner, windgeschützter Hof. Der Wagen hielt vor dem Eingang. Die beiden Männer sprangen herunter. Moses legte Schurz und Perücke ab, dann zeigte er auf einen großen Krug.
«Steige auf diese niedrige Mauer», befahl er Abner, «und gieße mir das Wasser langsam über die Schultern.»
Während Moses sich die Haut mit Kräutern einrieb, hielt der Ziegelmacher mit ausgestreckten Armen den Krug und ließ das wohltuende Naß heraus fließen.
«Hast du die Sprache verloren, Abner?»
«Ich habe Angst.»
«Warum?»
«Man hat mich bedroht.»
«Wer?»
«Das… das kann ich nicht sagen.»
«Wenn du auf deinem Schweigen beharrst, lasse ich dich für den groben Fehler, den du begangen hast, vor Gericht stellen.»
«Nein, dann verliere ich meine Stelle.»
«Das wäre gerechtfertigt.»
«Das stimmt nicht, ich schwöre es.»
«Dann rede!»
«Ich werde bestohlen, mit einer gemeinen Erpressung unter Druck gesetzt…»
«Von wem?»
«Von einem Ägypter», antwortete Abner und senkte dabei die Stimme.
«Wie ist sein Name?»
«Ich kann es nicht sagen. Er hat einflußreiche Beziehungen.»
«Ich werde meine Frage nicht wiederholen.»
«Er wird sich an mir rächen.»
«Hast du Vertrauen zu mir?»
«Ich habe oft daran gedacht, mit dir darüber zu sprechen, aber ich habe solche Angst vor diesem Mann.»
«Hör auf zu zittern, und nenne mir seinen Namen. Dann wird er dich nie mehr belästigen.»
Vor Schreck ließ Abner den Krug fallen, der am Boden zerschellte.
«Sary… Es ist Sary.»
Die königliche Flottille bog in den großen Kanal ein, der nach Pi-Ramses führte. Der gesamte Hofstaat begleitete Ramses und Nefertari. Alle waren begierig darauf, die neue Hauptstadt zu sehen, in der sie sich künftig niederlassen müßten, um dem König zu gefallen. Allenthalben war gedämpfter Tadel zu hören, der immer denselben Vorwurf enthielt: Wie sollte eine zu schnell erbaute Stadt je mit Memphis wetteifern? Der König würde eine aufsehenerregende Niederlage erleiden, die ihn früher oder später dazu zwang, Pi-Ramses wieder aufzugeben.
Im Bug stehend betrachtete der Pharao den Nil, der sich zu seinem Delta verzweigte, während das Schiff den Hauptarm verließ und in den Kanal einfuhr.
Chenar trat zu seinem Bruder.
«Dieses ist wohl nicht der geeignete Augenblick, dessen bin ich mir durchaus bewußt, aber ich muß dennoch eine ernste Angelegenheit mit dir besprechen.»
«Ist sie so dringend?»
«Das befürchte ich. Wäre es mir früher möglich gewesen, dich davon in Kenntnis zu setzen, hätte ich dir gerne erspart, dich in einem so glücklichen Augenblick damit zu behelligen, doch du warst unerreichbar.»
«Ich höre dir zu, Chenar.»
«Das Amt, das du mir anvertraut hast, liegt mir am Herzen, und ich würde mich glücklich preisen, wenn ich dir nur vortreffliche Neuigkeiten überbringen könnte.»
«Sollte das nicht der Fall sein?»
«Sofern ich den Berichten trauen kann, müssen wir uns darauf einstellen, daß sich die Lage verschlechtert.»
«Komme zur Sache!»
«Die Hethiter haben anscheinend den Einflußbereich, den unser Vater ihnen zugestanden hatte, verlassen und sind in Mittelsyrien eingefallen.»
«Ist das schon erwiesen?»
«Es ist noch zu früh, es als gesichert zu erachten, aber ich wollte der erste sein, der dich vorwarnt. Die Hethiter versuchten in jüngster Zeit des öfteren, uns herauszufordern, und so können wir hoffen, daß sie auch dieses Mal nur mit ihrer Stärke zu prahlen versuchen. Dennoch wäre es ratsam, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.»
«Ich werde es mir
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