Der Terraner / Graffiti (German Edition)
Soeben hat er eine Straße und damit eine unsichtbare Grenze überquert. Vor dem Eingang eines Restaurants hält er zögernd inne. Ein Schild an der Tür belehrt ihn, dass nur Weiße Zutritt haben.
Kdoro ist ein schlanker großer Mann von 45 Jahren. Vor allem ist er schwarzhäutig. Er öffnet die Tür und betritt das Restaurant. Atemlose, gespannte Stille umfängt ihn. Sofort kommen zwei Männer auf ihn zu, ergreifen ihn an den Armen und führen ihn hinaus. Der eine boxt ihm in die Rippen, der andere sagt: »Lass dich hier nie wieder sehen!«
Kdoro überquert die unsichtbare Grenze ein zweites Mal – in der Richtung, aus der er vor wenigen Minuten kam.
Sein gekränkter Stolz gebiert Hass.
Kdoro ist ein Terraner.
Sein Name ist Standing Bear. Auf seine Lanze gestützt, steht er auf dem hartgetrampelten Boden vor seinem Tipi. Sein Körper ist geschwächt vom Alkohol, die Augen haben ihr Feuer verloren. Obwohl er Mühe hat, nicht zu schwanken, drückt seine Haltung eine Würde aus, die sich über alles erhebt, was ringsum geschieht.
Zwei Männer, die ihn gierig, aber auch mit einer gewissen Scheu betrachten, halten ihm ein schmieriges Papier vor das Gesicht. »Dies ist der Kontrakt, Standing Bear«, sagt einer der beiden. »Du hast dein Zeichen daruntergesetzt.«
»Ja«, entgegnet Standing Bear, ohne den Fetzen Papier anzusehen. »Dies ist mein Zeichen.«
»Du wirst dich also mit deinem Volk in das Reservat zurückziehen?«
Standing Bear schweigt und blickt über das weite Land, das er unter seinen Füßen spürt und das er nun verloren hat.
Standing Bear ist ein Terraner.
Sein Name ist Pedro Armendariz – aber dessen ist er sich nicht mehr sicher. Seit Monaten vegetiert er in einer zwei mal zwei Meter großen feuchten und kalten Zelle. Ab und zu schiebt ihm jemand etwas zu trinken und zu essen herein, und manchmal wird er abgeholt. Dann stellen sie ihm Fragen, deren Sinn er längst nicht mehr versteht. Bei diesen Verhören leidet er Schmerzen, aber seit einiger Zeit empfindet er sie kaum noch.
Ein Tag ist für ihn wie der andere. Er weiß nicht mehr, wie alles begonnen hat – vielleicht mit seiner Teilnahme an einer Demonstration oder mit der Unterzeichnung eines Manifests. Nur eines weiß er noch: Seine damals artikulierte Meinung stand im Gegensatz zu dem, was die herrschende Schicht verkündete.
Sein Wille ist gebrochen.
Er kauert am Boden seiner Zelle und bewegt den Oberkörper vor und zurück, vor und zurück, stets im gleichen dumpfen Rhythmus.
Er wartet auf den Tod.
Pedro Armendariz ist ein Terraner.
Sein Name ist J. Walker. Er sitzt in einem breiten Ledersessel hinter einem marmorgetäfelten Schreibtisch und beobachtet seinen Sekretär, der aus einer Kristallkaraffe Wein in die funkelnden Pokale der beiden Besucher gießt.
»Lassen Sie uns auf das Geschäft anstoßen«, sagt Walker.
Seine Zufriedenheit ist offensichtlich. Er hat den Besuchern dreitausend Maschinenpistolen mit Munition, zwanzig Flammenwerfer und zwölf Raketenwerfer verkauft.
Die Besucher zögern, ihre Pokale zu ergreifen.
»Wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie auch an die Gegenseite liefern«, sagt einer von ihnen.
J. Walkers Gesicht verliert seinen verbindlichen Ausdruck. »Ich pflege nicht über meine Geschäftspartner zu sprechen«, erwidert er kühl. »Die Regierungen der mit Ihrer Gruppe sympathisierenden Staaten liefern keine Waffen in Spannungsgebiete. Sie sollten also froh sein, dass ich in diese Lücke springe.«
»Sie wissen, dass wir für eine gerechte Sache kämpfen«, sagt der zweite Besucher.
Walker gestattet sich ein Lächeln. »Alle meine Kunden kämpfen für eine gerechte Sache.« Der Spott in seiner Stimme ist schwer zu überhören.
»Denken Sie manchmal daran, wofür die Waffen eingesetzt werden, die Sie verkaufen?«, fragt der erste Besucher.
»Wenn Sie so ein verdammter Moralist sind, warum kommen Sie dann zu mir?« J. Walker gibt sich gelangweilt. Er kennt diese Diskussionen, er ist ihrer müde.
Er hofft, bald genug verdient zu haben, um sich zur Ruhe setzen zu können.
J. Walker ist ein Terraner.
Sein Name ist Walter Hansen. Er ist Ingenieur und Technischer Leiter der Fabrik. Seine Aufgabe besteht in der Überwachung der Abwasser- und Kläranlagen. Kurz nach Mitternacht betritt sein Vorgesetzter den nur spärlich beleuchteten Kontrollraum. Es ist ein ungewöhnlicher Besuch zu einer ungewöhnlichen Zeit.
»Wir müssen Schleuse sieben
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