Der Teufel in Frankreich
eine überraschende Erscheinung auf dieser Straße und zu dieser Stunde, er war elegant angezogen, ich entsinne mich genau jedes Details seines weißen Anzugs und seiner Netzhandschuhe.
»Bitte«, sagte er zu mir, englisch, »fragen Sie nicht, steigen Sie ein, zögern Sie nicht, ich erkläre Ihnen alles auf der Fahrt.« Ich schaute ihn an, ich schaute mich selber an, mein schäbiges Hemd mit den kurzen Ärmeln, meine zerflickte Hose, meine Gummisandalen. Er drängte: »Steigen Sie schon ein, im Wagen ist ein Mantel.« Herr Wolf wartete in der Nähe, man sah seinem schlauen, gutmütigen Gesicht an, wie es in ihm arbeitete, wie er sich den Vorgang zu erklären suchte. Ich drückte ihm noch rasch die Hand. »Leben Sie wohl«, sagte ich, »und Dank nochmals für alles, und geben Sie Karl ein paar hundert Franken, und schicken Sie, was von mir im Lager ist, nach Sanary.«
Dann stieg ich in den Wagen, auch Madame L. stieg ein. In dem Wagen war richtig ein leichter Damenmantel, ich nahm ihn um, es war ein englisches Abzeichen an dem Mantel; eine dunkle Brille war auch da und ein bunter Schal. »Ziehen Sie schon alles an«, sagte, während wir bereits fuhren, der elegante Herr, und ich tat es, und ich sah aus wie eine alte englische Dame, und so fuhren wir davon, sehr schnell, in dem guten hübschen Wagen, fort aus dem Bereich des Teufels in Frankreich.
Die Gärten
von Marseille
Und sie hörten die Stimme des Herrn, der sich erging in dem Garten in der Kühle des Abends.
Ich habe diesen vierten Teil geschrieben, doch ich kann ihn nicht veröffentlichen.* Noch stehen Leute, über die ich auf diesen Seiten zu berichten hatte, mitten in den Ereignissen, und es könnte diese Ereignisse ungünstig beeinflussen, wenn man erfährt, was sie damals getan haben.
Es tut mir leid, daß ich den Schluß meines Buches nicht veröffentlichen kann. Denn wenn ich auch von vielem Kleinmut zu berichten hatte, von vieler Feigheit, Schwäche und Niedrigkeit, so konnte ich doch darin weit mehr erzählen von Mut, Güte, Opferbereitschaft.
Es sind fünf Männer, denen ich zu besonderem Dank verpflichtet bin. Ohne sie hätte ich schwerlich die Gefahren und Strapazen überstanden, welche ich zu erdulden hatte in der schlampigen Hölle, in die sich das schöne Frankreich verwandelt hat. Nennen kann ich von diesen fünf Männern zwei. Sie heißen B. W. Huebsch und Waitstill Hastings Sharp.
* Nach Auskunft von Marta Feuchtwanger existiert kein Manuskript von diesem vierten Teil. »Lion Feuchtwanger hatte die Absicht«, schreibt sie am 20. August 1981 an den Aufbau-Verlag, »wenn alle Gefahr für die noch in Europa Zurückgebliebenen überstanden war, das Ende von ›Unholdes Frankreich‹ niederzuschreiben. Diese Gefahr bestand aber länger, als man erwartete, und inzwischen hatte sich L. F. längst mit anderen Plänen und deren Ausführung beschäftigt … « (Anm. des Aufbau-Verlags.)
Ich stehe an der Schwelle des Alters. Meine Süchte werden schwächer, schwächer wird mein Unmut, schwächer meine Begeisterung. Ich bin Gott in vielen Gestalten begegnet, doch auch dem Teufel in vielen Gestalten. Meine Freude an Gott ist nicht geringer geworden, wohl aber meine Furcht vor dem Teufel. Ich habe erfahren müssen, daß die Dummheit und die Bosheit der Menschen wild und tief ist wie die Sieben Meere. Aber ich habe auch erfahren dürfen, daß der Schutzdamm, welchen die Minorität der Guten und Weisen errichtet hat, höher und fester wird von Tag zu Tag.
M a r t a F e u c h t w a n g e r
Die Flucht
Nachwort
Nur zögernd, aus einem Gefühl der Pflicht schreibe ich dieses Nachwort. Das Gefühl der Pflicht hat viele Verästelungen.
Ich glaube, der Leser, der diese dokumentarische Erzählung bis hierher las, hat ein Recht, den Ausgang der Episode, die ein kleiner Teil der damaligen Zeitgeschichte war, zu erfahren. Und so bemühe ich mich, da weiterzuberichten, wo L. F. aus gewichtigen Gründen anhalten mußte. Viele gehetzte Flüchtlinge befanden sich noch auf dem feindlichen Boden der Vichy-Regierung Frankreichs, durchsetzt mit den Schergen des Hitler-Überfalls. Ich selbst wartete im Hafen von Lissabon – auch da noch in Gefahr, entführt zu werden. Und ich wäre nicht die einzige gewesen.
Ich beginne mit den Versuchen der amerikanischen Hilfsorganisationen – zum Teil sabotiert durch exilfeindliche Konsularbeamte –, soviel wie möglich von den Beladenen, die das rettende Ufer Amerikas suchten, der heranziehenden Macht des Dritten
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