Der Teufel in Frankreich
Lion Feuchtwanger
Der Teufel in Frankreich
Ein Erlebnisbericht
Mit einem Nachwort von Marta Feuchtwanger
Langen Müller
»Der Teufel in Frankreich« erschien erstmalig 1942 unter dem Titel »Unholdes Frankreich«.
© Marta Feuchtwanger
Lizenzausgabe für Albert Langen · Georg Müller Verlag GmbH
München · Wien
mit freundlicher Genehmigung des Aufbau Verlages
Berlin und Weimar
Umschlaggestaltung: Werner Rebhuhn, Hamburg
Druck: Jos. C. Huber KG, Dießen
Binden: R. Oldenbourg, München
Printed in Germany 1983
ISBN: 3-7844-1964-X
Die Ziegel
von Les Milles
Und die Ägypter knechteten die Kinder Israel mit Härte. Und sie machten ihr Leben bitter mit harter Frohn in Mörtel und in Ziegeln. Und die Kinder Israel bauten dem Pharao die Schatzstätten Pithom und Ramses.
Ich kann mir nichts Rechtes vorstellen unter den Schatzstätten Pithom und Ramses, und ich weiß nicht, ob die Bibelwissenschaftler erkundet haben, was es damit für eine Bewandtnis hat. Für mich haben die beiden feindlich, fremd und großartig klingenden Namen eine Bedeutung gewonnen, die keine noch so wohlbegründete wissenschaftliche Analyse wird ändern können.
Das kam so. Wir waren, die politischen Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei, die in Südostfrankreich wohnten, während des Krieges von den französischen Behörden eingesperrt worden in der großen, verlassenen Ziegelei von Les Milles bei Aix in der Provence. Wir waren unser über tausend, einmal waren wir beinahe dreitausend, die Ziffer wechselte, ein großer Teil von uns waren Juden.
In einem Ziegelbau waren wir untergebracht, und die Ziegel waren das Merkmal dieser Zeit. Ziegelmauern, durch Stacheldraht gesichert, schlossen unsere Höfe von der schönen, grünen Landschaft draußen ab, zerbröckelnde Ziegel waren überall gestapelt, sie dienten uns als Sitze und als Tische, auch dazu, das Strohlager des einen von dem des andern abzutrennen. Ziegelstaub füllte unsre Lungen, entzündete unsre Augen. Lattengestelle für die Ziegel liefen die Wände der Säle entlang und nahmen uns noch mehr weg von dem spärlichen Raum und von dem spärlichen Licht, und wenn uns kalt war, dann mochte wohl der eine oder andere von uns hineinkriechen in einen der leeren, großen Öfen, die zur Herstellung der Ziegel bestimmt gewesen waren, und sich wärmen an den Assoziationen des Wortes Ofen.
Wir mußten die Ziegel herumtragen, bald stapelten wir sie hier, bald dort. In Schubkarren fuhren wir sie herum, und dann, unter dem Kommando eines Sergeanten, warfen wir sie von Hand zu Hand und schichteten sie in bestimmter Ordnung. Die Arbeit war nicht eben schwer. Das Ärgerliche, Empörende daran war ihre vollkommene Sinnlosigkeit; denn sie war uns nicht aufgetragen zu einem vernünftigen Zweck, man wollte uns lediglich beschäftigen. Wir wußten, wir würden morgen oder übermorgen oder spätestens am dritten Tag die schön errichteten Ziegelstapel wieder zerstören und anderswo neu aufbauen müssen.
Da nun, eines Tages, während unter dem groben Kommando eines Sergeanten die Ziegel von Hand zu Hand flogen, während wir, Professoren, Anwälte, Ärzte, Landwirte, Arbeiter, statt uns mit unsern Büchern, Akten, Diagnosen, Wettervorhersagen, Maschinenteilen zu beschäftigen, die Ziegel stapelten, die wir am nächsten Tag wieder niederreißen würden, da, mit einem Mal, kam mir der Text jenes Bibelverses von den Kindern Israel, die für den Pharao von Ägypten Ziegel zu backen hatten für die Schatzstätten Pithom und Ramses. Ich stellte allerlei abwegige und wohl auch widerspruchsvolle Betrachtungen an. Unsere Vorväter hatten es schlechter gehabt als wir, denn sie hatten arbeiten müssen unter der Peitsche des Fronvogts; andernteils aber war es ihnen besser ergangen, denn ihre Tätigkeit war wenigstens sinnvoll gewesen. Dann wie- der überlegte ich, daß es dem Sklaven, der helfen mußte, für den feindlichen Pharao eine jener »Schatz stätten« zu errichten, ziemlich gleichgültig war, ob er eine sinnvolle Tätigkeit ausübte oder eine sinnlose. Nach einer Weile gab ich es auf, darüber nachzudenken. Mechanisch aber, während ich meinen Ziegel empfing und dem Nachbarn zuwarf, dachte es in mir weiter: Pithom – Ramses – Pithom – Ramses.
Seither also hat für mich der Bibelvers eine bestimmte Färbung angenommen, einen bestimmten Tonfall. Er wird mir immer verbunden bleiben mit der Vorstellung von Staub und heißer Sonne und Stacheldraht und mit der Vorstellung
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