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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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„Warum kommst du erst jetzt?“
    „Ich wurde aufgehalten.“
    „Ja“, sagte sein Vater. „Das wurde ich auch.“
    „Ich habe Hendrik nicht umgebracht, Vater“, sagte Erik.
    „Es geht nicht um ihn, warum willst du das nicht begreifen? Es ging immer nur um dich.“
    „Warum hasst du mich so sehr?“ Seine Stimme klang heiser.
    „Ich hasse dich nicht, Junge“, antwortete sein Vater. „Du hasst dich selbst.“
    Plötzlich spürte Erik heiße Tränen auf seinen Wangen. „Warum hast du mir dann diese Dinge angetan? Und Hendrik?“
    „Das war ich nicht“, sagte sein Vater. „Das war der Alkohol. Bringt den Teufel in dir zum Vorschein.“ Er lachte trocken. „Gott, ich wünschte, ich hätte einen Drink.“
    „Du warst mir kein guter Vater“, sagte Erik.
    „Du warst mir kein guter Sohn.“
    „Aber Hendrik war dir ein guter Sohn, und ihm warst du auch kein guter Vater.“
    „Warst du ihm denn ein guter Bruder?“
    Erik wischte zornig seine Tränen fort. „Ich habe ihn im Stich gelassen, als er mich am meisten brauchte.“
    „Das ist nicht wahr“, sagte Theodor Strauss. „Hör endlich auf, dir diesen Scheiß einzureden, Junge.“
    „Du warst nicht dabei. Wo warst du denn? Wo warst du , als ich dich am meisten gebraucht hätte?“
    „Ich war hier.“
    Erik schlug gegen die Metallstreben der Kanzel. Seine Hand prallte daran ab. Er spürte es kaum.
    „Hör zu“, sagte Theodor Strauss. „Ich werde das jetzt nur einmal sagen. Ein einziges Mal, damit du es begreifst, Junge. Du hast das Richtige getan in jener Nacht.“
    Erik begann zu weinen.
    „Bist du hier, um rumzuheulen?“, rief Theodor Strauss. „Oder willst du eine Männerarbeit erledigen?“
    „Ich will die Bombe zur Explosion bringen. Die Bombe, die noch in deinem Flugzeug ist.“
    „Und weißt du auch, wie du das anstellen willst?“
    „Nein.“
    „Du musst auf den Zünder schlagen.“
    „Ja.“
    „Du musst ihn gut und fest treffen, hörst du? Der Zünder will den Aufprall aus Hunderten Metern Höhe. Glaubst du, du kannst da mithalten?“
    „Ja“, flüsterte Erik. Seine Beine fühlten sich weich und schwammig an. Benommen streckte er die Hand aus und stützte sich an den verbogenen Metallstreben der Kanzel ab.
    „Lass dich nicht so hängen, du kleiner Scheißer!“, brüllte Theodor Strauss. „Du machst das hier für deine Frau und dein Kind! Hast du das schon vergessen?“
    „Ich habe es nicht vergessen !“ Erik versuchte, die Benommenheit abzuschütteln. „Sag mir, was ich tun muss. Ich schaffe es nicht alleine.“
    „Am besten nimmst du dir den großen Reparaturhammer aus dem Werkzeugfach“, sagte sein Vater mit ruhiger, fester Stimme. „Dann gehst du runter in den Bombenschacht. Schlag auf die Spitze der Bombe, denn da steckt der Zünder. Es ist nicht so schwer, verdammt noch mal!“
    „Wo ist das Werkzeugfach?“
    „Im Heck. Steig durch den Rumpf ein. Auf der anderen Seite hat das Eis ein verflucht großes Loch reingerissen. Wie bei der verdammten Titanic!“
    Erik umrundete das Flugzeug. Im Rumpf klaffte ein meterlanger Riss. An der breitesten Stelle kletterte Erik ins Innere der Ju 88. Er schnitt sich die Hände an dem scharfkantigen Metall auf, doch er registrierte es kaum. Er fühlte sich merkwürdig leicht, fast schwerelos. Zu seiner Rechten hing der Funker verkrümmt in seinem Sessel. Sein Genick war gebrochen. Eis bedeckte die mumifizierte Leiche wie eine dicke Staubschicht. Auf dem Boden lag der zerschmetterte Körper des Kopiloten.
    Erik bahnte sich am Bombenschacht vorbei seinen Weg durch die Trümmer bis ins Heck. Er warf einen Blick in die Kanzel des Bordschützen, die wie eine Blase aus dem Rumpf des Jagdbombers wuchs. Die Kanzel war nahezu völlig im Eis versunken. Allein der Kopf des Bordschützen und seine rechte Hand ragten noch aus der Eisdecke hervor.
    Erik durchwühlte die Regale zu seiner Linken. Bald hatte er das Werkzeugfach gefunden. Er nahm den Reparaturhammer heraus und wog ihn in den Händen. Er war sehr schwer.
    „In Ordnung“, sagte sein Vater. „Geh jetzt runter in den Bombenschacht.“
    Erik kletterte über das Metallgeländer und sprang hinunter in den Abwurfschacht. Es war nicht sehr tief. Das Eis des Gletschers hatte den Schacht fast vollständig gefüllt.
    Dann entdeckte Erik die Bombe. Die untere Hälfte war im Eis versunken. Der vordere Teil ragte daraus hervor wie der Bug eines U-Bootes, der beim Auftauchen aus dem Wasser steigt. Der graue Stahlkörper war mit Eiskristallen

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