Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
und sinkenden Schlachtschiffen des Pazifiks, haben die Menschen so geweint und geklagt, so geschrien und getobt, so gezürnt und ihren Gott verflucht wie in Thannsüß. Also bin ich hierher gekommen.“
Erik krümmte sich zitternd auf dem Boden und schlang seine Arme um Marie. Er vergrub seinen Kopf in ihrem Haar und weinte leise.
Der Mann musterte ihn durchdringend. „Spürst du keinen Zorn in dir? Willst du dich nicht rächen für all das, was sie dir angetan haben? Für alles, was sie dir genommen haben? Deine Frau. Deinen Sohn. Dein ganzes Leben. Willst du nicht Gerechtigkeit regnen lassen auf dieses verfluchte Dorf?“ Er deutete auf Marie. „Noch kann ich ihnen ihr Leben zurückgeben. Es wird ein gutes Leben sein. Ein erfülltes Leben, frei von Mühsal und Leid.“
„Aber wie?“, schluchzte Erik. „Wie soll das gehen?“
„Ich werde sie rufen. Ich werde ihnen sagen, dass sie zurückkommen sollen. Alle beide. Deine Frau, dein Sohn. Er wird große Dinge vollbringen.“
„Ich habe die Menschen gesehen, die Sie zurückgebracht haben. Sie sind nichts als leere Hüllen!“
„Aber diesmal wird es anders sein. Die Menschen von Thannsüß lagen eine ganze Woche unter den Trümmern, ehe ich sie zurückholte. Deine Frau und dein Kind sind erst seit ein paar Stunden tot.“
„Warum haben Sie die Toten nicht eher zurückgeholt?“
Das Gesicht des Mannes wurde hart. „Weil es nicht Teil unserer Abmachung war.“
„Was geschieht mit diesen Menschen, wenn sie sterben? Ich will nicht, dass Marie eines Tages so stirbt. So furchtbar. War das auch Ihr Werk?“
Das sanfte Lächeln kehrte auf das Gesicht des Mannes zurück. „Oh, nein“, sagte er. „Noch nie habe ich einem Menschen ein Leid zugefügt. Ich spinne nur die Fäden und weise ihnen den rechten Weg. Aber diese Menschen haben mit geborgter Zeit gelebt, Erik. Ich konnte ihren Tod nicht rückgängig machen, nur hinauszögern. Als sie starben, zum zweiten Mal, hat ihr erster Tod sie eingeholt. Der Tod unter den Trümmern des Gletschers.“
„Und Marie? Was ist mit ihr?“
„Der Tod ist endgültig, Erik. Irgendwann wird man sie mit durchschnittener Kehle auffinden. Vielleicht wird ein Unschuldiger dafür büßen. Aber das soll dich nicht kümmern. Bis dahin werden viele Jahre vergehen. Deine Frau und dein Kind werden leben! Sie werden ein gutes Leben haben.“
Eriks Gedanken waren schwer und träge. „Was muss ich tun?“, flüsterte er.
„Nur das, was deine Bestimmung ist. Du musst es vollenden.“
„Retten Sie meine Frau“, schluchzte Erik. „Retten Sie mein Kind!“
„Das werde ich. Dein Leben für das deiner Frau und deines ungeborenen Kindes. Ein fairer Tausch.“
Erik schüttelte den Kopf. „Mein Leben?“
„Ich fürchte ja, Erik.“
Tränen liefen Eriks Wangen hinab. „Sagen Sie mir, was ich tun muss.“
Der Mann starrte ihn durchdringend an. Alle Wärme war aus seinem Blick gewichen. „Finde das Flugzeug. Finde deinen Vater. Finde die Bombe.“
„Die Bombe?“, flüsterte Erik.
„Eine Bombe wurde in jener Nacht nicht abgeworfen. Sie hatte sich im Bombenschacht verklemmt. Es ist ein Wunder, dass sie bei der Notlandung nicht explodiert ist. Und auch dann nicht, als das Flugzeug kopfüber in die Gletscherspalte stürzte. Ein Wunder.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. Dann richtete er seine schwarzen Augen erneut auf Erik. „Aber du kannst ihr helfen, ihr Schicksal zu erfüllen. Indem du das deine erfüllst! Hilf ihr, das zu tun, was sie vor zwölf Jahren hätte tun sollen. Hilf ihr, ihrer Bestimmung zu folgen. Bring die Bombe zur Explosion!“
Erik holte zitternd Luft. „Aber ... warum? Warum das alles?“
„Die Menschen sind so leicht zu durchschauen, Erik. So unsagbar vorhersehbar. Früher oder später versuchen sie immer, mich zu betrügen. Die Menschen von Thannsüß haben es vor vielen Jahren schon einmal versucht. Die Strafe, die man ihnen angedeihen ließ, war schrecklich. So schrecklich, dass all die Jahre, die seitdem vergangen sind, es niemand mehr gewagt hat, den Pakt zu brechen. Aber ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.“ Hass loderte in den Augen des Mannes auf. „Der Pakt, den wir geschlossen haben, ist nichtig. Sie haben ihn besudelt. Ich werde sie bestrafen, indem ich die Last zurück auf ihre Schultern lege, die ich vor zwölf Jahren von ihnen nahm. Doch dafür, Erik, brauche ich dich. Nur deshalb bist du hier. Wenn du es nicht für mich tust, tu es für deine Frau und dein
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