Der Teufel trägt Prada
Akzent, Parfüm von Bulgari, weiße Seidenschals – um nur einige der schlichteren Freuden des Lebens zu nennen, die für mich auf Dauer ruiniert waren.
In der Post war das Übliche: zu 99 Prozent Schrott, den Miranda gar nicht erst zu Gesicht bekam. Alles mit der allgemeinen
Anschrift »Chefredaktion« wanderte direkt in die Abteilung für Leserbriefe; allerdings waren mittlerweile viele Leser auf den Trichter gekommen und adressierten ihre Post direkt an Miranda. Ich brauchte durchschnittlich vier Sekunden, um einen Schrieb zu überfliegen und zu entscheiden, ob es sich um einen Leserbrief an die Herausgeberin (weg damit), um die Einladung zu einem Wohltätigkeitsball oder um eine kurze Meldung einer lange verschollenen Freundin handelte. Heute waren es ganze Tonnen, die in den Papierkorb wanderten: atemloses Geschwurbel von Teenagern und Hausfrauen, sogar ein paar Schwule waren darunter (oder, wir wollen ja nicht unfair sein, vielleicht auch schlicht besonders modebewusste Heteros): »Miranda Priestly, Sie sind nicht nur der Liebling der Modewelt, sondern auch die Königin in meiner Welt!«, schmachtete einer. »Welch waghalsige, aber geniale Entscheidung, den Artikel ›Rot – das neue Schwarz‹ in die Aprilausgabe aufzunehmen – ich stehe ganz auf Ihrer Seite!«, verkündete ein anderer. Ein paar Schreiber geiferten über eine angeblich sexuell anstößige Reklame von Gucci, die zwei Frauen mit hochhackigen Schuhen und Strapsen eng aneinandergeschmiegt auf einem zerwühlten Bett zeigte, wieder andere zeigten sich empört angesichts der ausgemergelten Models mit tief in den Höhlen liegenden Augen, die – sorgfältig auf heroinsüchtig zurechtgemacht – den Runway -Artikel über Gesundheitstipps illustrierten. Eine Standardpostkarte war auf der einen Seite in verschnörkelten Lettern an Miranda Priestly adressiert und stellte auf der Rückseite die simple Frage: »Warum? Warum produzieren Sie ein so langweiliges, blödes Magazin?« Ich lachte laut auf und steckte die Karte in meine Tasche; meine Sammlung von kritischen Zuschriften und Postkarten wuchs und wuchs – bald würde kein Platz mehr an der Kühlschranktüre sein. Lily fand, mit den negativen Gedanken und feindseligen Äußerungen anderer brächte ich böses Karma ins Haus; ich vermochte sie einfach nicht davon zu überzeugen, dass alles böse Karma, das ursprünglich
gegen Miranda gerichtet war, mich nur glücklich machen konnte.
Bevor ich mich an die zwei Dutzend Einladungen machte, die Miranda jeden Tag erhielt, nahm ich den letzten Brief des massiven Stapels zur Hand: eindeutig die runde, geschwungene Schrift eines Teenagermädchens, mit Herzchen statt I-Punkten und Smileys hinter fröhlichen Sätzen. Ich wollte ihn, wie alle anderen auch, nur überfliegen, doch er sperrte sich dagegen, war zu unmittelbar in seiner Traurigkeit und Ehrlichkeit; mit Herzblut geschrieben, ein einziges Flehen. Die ersten vier Sekunden waren verstrichen, und ich las immer noch.
Liebe Miranda,
ich heiße Anita und bin 17 Jahre alt und besuche die letzte Klasse der Barringer High School in Newark, NJ. Ich schäme mich so für meinen Körper, auch wenn mir jeder sagt, ich wäre nicht fett. Ich möchte wie die Models in Ihrem Magazin aussehen. Jeden Monat warte ich darauf, dass endlich die neue Runway bei der Post dabei ist. Meine Mama findet es blöd, dass ich mein ganzes Taschengeld für ein Modemagazin ausgebe. Sie versteht nicht, wovon ich träume, aber Sie verstehen es, oder? Ich träume davon, seit ich ein kleines Mädchen bin, aber ich glaube nicht, dass es noch was wird. Warum nicht, fragen Sie? Meine Brüste sind ganz flach und mein Hintern ist größer als der bei Ihren Models, und deswegen komme ich mir so peinlich vor. Ich frage mich, will ich so leben, und dann sage ich NEIN!, weil ich mich ändern will und besser aussehen und mich besser fühlen will und deswegen frage ich Sie um Hilfe. Ich will mich zum Positiven ändern und in den Spiegel gucken und finden, dass ich einen Superbusen und einen Superhintern habe, weil sie genauso aussehen wie die im besten Magazin der Welt!
Miranda, ich weiß, dass Sie ein wunderbarer Mensch und eine wunderbare Herausgeberin sind und dass Sie mich zu einem neuen Menschen machen könnten, und glauben Sie mir,
dafür wäre ich Ihnen ewig dankbar. Aber falls Sie keinen neuen Menschen aus mir machen können, könnten Sie mir dann vielleicht ein richtig, richtig, richtig schönes Kleid für besondere Anlässe besorgen? Ich
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