Der Teufel trägt Prada
Zum einen erfreute mich mal wieder der Anblick dieser normal funktionierenden Menschen, deren Leben nicht von Miranda dominiert wurde, und zum anderen bedeutete es, dass ich den Laden sofort wieder verlassen konnte, ohne mich durch ein langwieriges Gespräch aufhalten zu lassen. Die lächerlichen Figuren, denen der Name tatsächlich etwas sagte, spitzten sofort die Ohren. Viele hielten mich für eine Klatschkolumnistin und wollten wissen, für welche Zeitung ich schrieb. Dann sog ich mir die tollsten und spannendsten Erklärungen für meine Erkundigung aus den Fingern, aber keiner konnte mir weiterhelfen, niemand hatte Ms. Priestly in der letzten Zeit gesehen. In den drei Läden, wo man sie persönlich kannte, hieß es: »Ms. Priestly hat uns schon seit Monaten nicht mehr beehrt! Was wir sehr bedauern! Bitte richten Sie ihr doch von Franck/Charlotte/Sarabeth die herzlichsten Grüße aus!«
Nachdem die Suche nach dem Laden zweieinhalb Tage erfolglos geblieben war, gab Emily mir endlich grünes Licht, Miranda um weitere Informationen zu bitten. Schon vor dem Elias-Clark-Building brach mir der Schweiß aus, und als Eduardo mich nicht gleich durch das Drehkreuz lassen wollte, drohte ich ihm damit, einfach drüberzuklettern. Mit zitternden Händen betrat ich unseren Bürotrakt. Die sorgfältig ausgearbeitete kleine Rede, die ich
für Ihre Majestät vorbereitet hatte, die ganzen falschen Floskeln und verlogenen Phrasen, wo waren sie hin? Wie weggeblasen. Dann musste es eben auch ohne gehen. Statt meine Frage wie üblich schriftlich einzureichen, bat ich Miranda um eine Privataudienz. Vermutlich war sie so verdattert, dass ich es gewagt hatte, sie unaufgefordert anzusprechen, dass sie mir die Bitte gewährte. Um hier niemanden auf die Folter zu spannen, fasse ich mich kurz: Miranda seufzte und schnalzte mit der Zunge, beleidigte und stichelte, wie es ihre charmante Art war, aber zuletzt klappte sie ihren schwarzen Terminplaner von Hermés auf (der übrigens unpraktisch, aber schick mit einem weißen Hermés-Schal verschnürt war) und entnahm ihm... die Visitenkarte des gesuchten Antiquitätenladens!
»Ich hatte Ihnen die Angaben doch auf Band gesprochen, Aan-dreh-aa. Konnten Sie sie nicht aufschreiben?« Und obwohl ich ihr das Kärtchen am liebsten rechts und links um die Ohren gehauen hätte, ließ ich den Vorwurf stumm auf mir sitzen. Erst als mir die Adresse ins Auge sprang, hätte ich fast einen Tobsuchtsanfall gekriegt: 68. Straße 244. Kein Wunder, dass ich den Laden nicht gefunden hatte. Da hätte ich noch wochenlang erfolglos jedes Haus, jeden Hinterhof und jeden Keller in den 70ern abklappern können. Ich hatte gerade 33 Arbeitsstunden mit der Suche nach einem Geschäft verplempert, das in einem andern Teil der Stadt lag!
An diese Geschichte musste ich denken, während ich die letzte ihrer nächtlichen Nachrichten abtippte. Dann beeilte ich mich, nach unten zu kommen, um Uri am vereinbarten Treffpunkt die Sachen abzunehmen. Jeden Morgen sagte er mir genau, wo er geparkt hatte, aber ich konnte noch so blitzfix nach unten flitzen, er hatte immer schon alles ausgeladen und ins Gebäude gebracht, damit ich ihn nicht erst lange zu suchen brauchte. Heute genauso. Bepackt mit Plastiktüten, Kleidern und Büchern, stand er vor der Sperre in der Lobby und wartete auf mich.
»Nicht so schnell, nicht so schnell«, brummte er wie ein gütiger Großvater, als ich aus dem Fahrstuhl stürzte. »Den ganzen Tag sehe ich Sie immer nur rennen, rennen, rennen. Miranda nimmt Sie sehr chart ran. Darum bringe ich Ihnen die Sachen. Sie mussen langsamer machen, chören Sie? Ich wunsche Ihnen einen schönen Tag.«
Ich sah ihn dankbar an und musterte Eduardo mit einem nur halb witzig gemeinten giftigen Blick, der unmissverständlich zum Ausdruck brachte, was gerade in mir vorging: Ich bring dich um, wenn du auf die Idee kommst, mich jetzt eine Show abziehen zu lassen. Es wirkte. Er ließ mich anstandslos passieren. Und ich war wieder etwas gnädiger gestimmt. Wundersamerweise dachte ich auch noch daran, am Kiosk vorbeizugehen und mir von Ahmed die Zeitungen geben zu lassen. Obwohl die Presseabteilung Miranda die Blätter jeden Morgen um neun in ihr Büro liefern ließ, musste ich ihr trotzdem immer einen zweiten Satz beschaffen, damit sie unter gar keinen Umständen auch nur eine Sekunde ohne Zeitung am Schreibtisch zu sitzen brauchte. Das Gleiche galt auch für die Wochenzeitschriften. Niemanden schien es zu stören, dass wir für
Weitere Kostenlose Bücher