Der Teufel trägt Prada
wie vor alles gegen die Vorstellung, dass mein Freitagabend dafür draufgehen sollte, zufällig zu Geld gekommene Hinterwäldler aus Georgia und North oder South Carolina in großer Abendrobe zu begrüßen und mir ein gekünsteltes Lächeln nach dem anderen auf die schlecht geschminkte Visage zu pappen. Nach der Ankündigung waren mir genau drei Stunden geblieben, um ein Kleid aufzutreiben, Schminkzeug zu kaufen, mich in Schale zu werfen und sämtliche Pläne für das Wochenende umzuschmeißen, mit der Folge, dass ich in der allgemeinen Hektik vergessen hatte, mich um die Transportfrage zu kümmern.
Zum Glück hatte es auch Vorteile, für eines der größten Modemagazine des Landes zu arbeiten (ein Job, für den Millionen junger Frauen ihr Leben geben würden!): Um zwanzig nach vier war ich stolze Leihherrin eines schier atemberaubenden, bodenlangen Teils von Oscar de la Renta, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Jeffy, dem Herrn der Kleiderkammer und Verehrer alles Weiblichen (»Mädel, wenn schon Smoking, dann
auch Oscar, und damit Schluss. So, jetzt lass die Hosen runter und probier das da für deinen lieben Jeffy an.« Als ich mich aufknöpfte, überfiel ihn ein Schaudern. Ich fragte ihn, ob er meinen halbnackten Leib wirklich so abstoßend finde, worauf er sagte, nein, kein Gedanke: Was ihm Übelkeit bereitete, war mein Slip, der sich durch die Hose abzeichnete). Die Modeassistentinnen hatten bereits ein Paar silberner Manolos in meiner Grö ße herbeigeschafft, und eine Frau aus der Accessoires-Abteilung kam mit einer völlig überkandidelten, silbernen Abendtasche von Judith Leiber, deren lange Kette bei jeder Bewegung klirrte und rasselte. Mein zartes Plädoyer für ein schlichtes Unterarmmodell von Calvin Klein quittierte sie mit verächtlichem Schnauben und nötigte mir das Teil auf. Stef war sich noch uneinig, ob ich eine kurze oder eine lange Halskette tragen sollte, und Allison, unlängst zur Beauty-Redakteurin aufgestiegen, hing am Telefon und vereinbarte für mich einen Termin mit ihrer Handpflegerin, die auf Wunsch auch ins Büro kam.
»Sie wartet um Viertel vor fünf im Besprechungszimmer auf dich«, teilte Allison mir über das Haustelefon mit. »Du trägst doch Schwarz? Dann besteh auf Chanel Ruby Red. Die Rechnung geht auf uns.«
Mittlerweile war das ganze Büro mehr oder weniger in hellem Aufruhr, bloß damit ich bei der abendlichen Galaveranstaltung eine halbwegs gute Figur machte. Eins war klar: Sie veranstalteten den ganzen Zirkus beileibe nicht deshalb, weil sie mich so lieb und süß fanden und sich nichts Schöneres vorstellen konnten, als mir aus der Patsche zu helfen; vielmehr wussten sie sehr wohl, dass diese Schnapsidee auf Mirandas Mist gewachsen war, und brannten nun darauf, ihr zu beweisen, was sie geschmacklich und stilistisch auf dem Kasten hatten.
Kurz bevor ich am Abend von Zuhause aus aufbrechen musste, stakste ich auf Zehnzentimeter-Manolos in mein Zimmer und gab Alex einen Kuss auf die Stirn; sie hob sich kaum merklich von dem Magazin, in das er vertieft war.
»Ich bin ganz sicher bis elf wieder da, dann können wir noch irgendwo was essen oder trinken gehen, okay? Tut mir Leid, dass das dazwischengekommen ist, echt. Wenn du mit deinen Kumpels ausgehen willst, dann ruf mich an, vielleicht kann ich euch ja irgendwo treffen, okay?« Er war wie versprochen gleich von der Schule hergekommen, um den Abend mit mir zu verbringen, und hatte nicht direkt erbaut gewirkt über die Neuigkeit, dass er es sich gern bei uns gemütlich machen könne, allerdings ohne Beteiligung meinerseits. Jetzt hockte er auf dem Balkon vor meinem Zimmer, las eine alte Ausgabe von Vanity Fair und trank ein Bier aus dem Bestand, den Lily im Kühlschrank für Besucher bereithielt. Mir fiel auf, dass er nicht mit Lily zusammensaß.
»Wo ist sie denn?«, fragte ich.
Alex nahm einen Schluck Bier und zuckte mit den Achseln. »Ihre Tür ist zu, aber vorhin habe ich einen Typen hier herumspazieren sehen.«
»Einen Typen? Könntest du vielleicht ein paar Merkmale liefern? Welche Sorte Typ?« Ein Einbrecher? Oder war dem kleinen Freudianer schließlich doch die Ehre einer Einladung zuteil geworden?
»Kann ich nicht sagen, aber er sieht schaurig aus. Tattoos, Piercings, abgeschnittenes Netzhemd, die ganze Palette. Keine Ahnung, wo sie den aufgerissen hat.« Er genehmigte sich einen weiteren, lässigen Schluck.
Na, ich hatte jedenfalls erst recht keine Ahnung, woher ihr dieses Herzchen noch
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