Der Teufel trägt Prada
wieder auf, so agil wie ein Greis mit zwei gebrochenen Beinen. »Bitteschön!«, rief er. »Für Sie!« Er hielt mir einen Packen Zeitungen hin. »Damit Sie mir die Auslage nicht durcheinander wühlen, lege ich Mirandas Zeitungen morgens immer beiseite. Und auch, damit sie mir nicht ausgehen.« Er zwinkerte mir zu.
»Ahmed, ich danke Ihnen. Sie haben mir ja so geholfen. Meinen Sie, ich sollte die Wochenzeitschriften auch gleich mitnehmen?«
»Auf jeden Fall. Heute ist Mittwoch, und sie sind alle schon am Montag rausgekommen. Ihre Chefin wäre wohl nicht sehr begeistert, wenn sie sie heute nicht kriegen würde«, antwortete er vielsagend. Er bückte sich noch einmal unter die Kasse und förderte einen zweiten Stapel hervor. Ich überzeugte mich rasch, dass auch ja keine Zeitschrift fehlte. Aber auf Ahmed war Verlass: keine zu viel, keine zu wenig.
Ausweis, Ausweis, wo zum Henker war mein Ausweis? Ja, natürlich,
er hing an dem seidenen Band, das Emily mir aus einem von Mirandas weißen Hermés-Schals gebastelt hatte. »Eigentlich dürftest du ihr mit dieser Plastikkarte sowieso nicht unter die Augen treten«, sagte sie. »Aber wenn du mal vergessen solltest, sie abzunehmen, baumelt sie wenigstens nicht an einer Plastikschnur.« Sie musste sich regelrecht überwinden, um das letzte Wort überhaupt über die Lippen zu bringen.
»Da, bitte sehr, Ahmed. Vielen Dank noch mal für Ihre Hilfe, aber ich bin wahnsinnig in Eile. Sie ist im Anmarsch.«
Er zog den Ausweis durch das Lesegerät neben der Kasse und hängte mir das Seidenband wieder um. »Na, dann los! Und viel Glück!«
Ich schnappte mir die prallvolle Plastiktüte, sprintete los und riss mir im Laufen erneut den Ausweis vom Hals, um durch die Sperre mit den Drehkreuzen zu kommen, die den Zugang zu den Elias-Clark-Fahrstühlen blockierte. Ich zog den Ausweis durch das Lesegerät und drückte. Nichts. Ich versuchte es noch einmal. Diesmal drückte ich etwas fester. Wieder nichts.
Leonardo, der rundliche Wachmann, trällerte »Material Girl« hinter seiner Theke vor sich hin. O nein, bitte nicht. Nicht ausgerechnet heute. Mist. Er wartete schon darauf, dass ich bei seinem albernen Spielchen mitmachte.
In den letzten Wochen hatte ich diese Prozedur jeden Tag über mich ergehen lassen müssen. Anscheinend war er ein begeisterter Hobbysänger, und er ließ mich nicht eher durch das Drehkreuz, bis ich nicht zu einem seiner blöden Songs die passende Show abgezogen hatte.
Gestern hatte er mich mit »I’m too sexy« gequält. Während er sang, musste ich mitten in der Lobby so tun, als ob ich einen Laufsteg hinunterstöckelte. Wenn ich gut drauf war, machte mir dieser Quatsch richtig Spaß. Manchmal musste ich sogar grinsen. Aber heute war mein erster echter Miranda-Nahkampftag, und ich konnte es mir nicht leisten, meine kostbare Zeit mit Eduardos Mätzchen zu verplempern. Unmöglich. Alle
anderen durften links und rechts von mir anstandslos passieren, nur mich ließ er nicht durch. Ich hätte ihn umbringen können.
Ich knurrte bitter eine Zeile aus dem Lied vor.
Er zog die Stirn kraus. »Können wir uns nicht ein bisschen mehr ins Zeug legen? Wo bleibt der Madonna-Touch??«
Noch ein Wort von ihm, und ich würde einen Anfall kriegen. Also gut. Ich knallte meine Zeitungstüte auf die Theke, riss beide Arme hoch, wackelte mit den Hüften und machte einen Schmollmund. Am Rande des Nervenzusammenbruchs sang beziehungsweise kreischte ich weiter. Er lachte und klatschte und ließ mich durch. Hurra, geschafft.
Für später merken: Eduardo klarmachen, wann und wo er es sich erlauben darf, mich zum Affen zu machen.
Rein in den Aufzug, raus aus dem Aufzug und vorbei an Sophy, die mir unaufgefordert mit einem Knopfdruck die Tür zu unserer Abteilung aufmachte. Ich dachte sogar daran, einen Abstecher in die Teeküche zu machen, um Mirandas Kristallglas aus dem Schrank über der Mikrowelle zu nehmen und ein paar Eiswürfel hineinzuschmeißen. Als ich mit dem Glas in der einen und der Zeitungstüte in der anderen Hand um die nächste Ecke zischte, stieß ich voll mit Jessica alias Miss Maniküre zusammen. Sie sah gleichermaßen verärgert wie verängstigt aus.
»Andrea, ist dir klar, dass Miranda auf dem Weg in die Redaktion ist?«, fragte sie, während sie mich von oben bis unten musterte.
»Aber sicher. Hier sind ihre Zeitungen, hier ist ihr Glas, und jetzt muss ich bloß noch in ihr Büro, um den Schreibtisch herzurichten. Also, wenn du mich jetzt bitte vorbeilassen
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