Der Teufel trägt Prada
Erklärung einhandelte. Es war schon aufregend genug, dass Miranda zwei volle Wochen (erst Mailand, dann Paris) nicht im Büro sein würde, aber bei dem Gedanken, für die Hälfte der Zeit auch noch Emily los zu sein, wurde mir fast schwindlig vor Glück. Vor meinem inneren Auge sah ich Cheeseburger mit gebratenem Speck, meine alten, zerfetzten Jeans und flache Schuhe – womöglich sogar Turnschuhe. »Wieso nur im Oktober?«
»Es ist ja nicht so, dass sie da drüben keine Hilfe hätte. Von der französischen und der italienischen Runway werden auf jeden Fall Assistentinnen für Miranda abgestellt, und meistens stehen ihr auch die Redakteurinnen selbst zur Verfügung. Aber zum Auftakt der Frühjahrsmodenschauen veranstaltet sie immer eine Riesenparty – angeblich der Event des Jahres in diesen Kreisen. Ich fliege nur für die eine Woche nach Paris. Was wohl heißt, dass ich ihr dort am besten von Nutzen sein kann.« Jawohl, ja.
»Mhm – klingt doch aber nach einer supertollen Woche. Und ich halte derweil hier die Stellung?«
»Ja, so ungefähr. Aber das wird kein Zuckerschlecken, sage ich dir. Vermutlich eher die härteste Woche überhaupt. Wenn sie verreist ist, braucht sie ständig irgendwelche Hilfsdienste. Du wirst sie ziemlich oft am Telefon haben.«
»Na prima«, sagte ich. Sie verzog das Gesicht.
Ich döste mit offenen Augen vor dem leeren Computerbildschirm,
bis das Büro sich allmählich mit lebenden Menschen füllte, auf die ich meine Aufmerksamkeit richten konnte. Um zehn Uhr trudelten die ersten Klapperschnepfen ein, die ihre Überdosis Champagner vom gestrigen Abend unauffällig mit kleinen Schlucken Kaffee (Magermilch, nicht aufgeschäumt) zu kurieren versuchten. James sah wie jedes Mal, wenn er wusste, dass Miranda noch nicht im Büro war, bei mir herein und verkündete, er habe letzte Nacht im Balthazar den Mann seines Lebens kennen gelernt.
»Er saß da an der Bar und trug die irrste rote Lederjacke, die ich jemals gesehen habe – und was drunter war, konnte sich auch sehen lassen, ich sag’s dir. Wie er sich die Austern auf die Zunge gleiten ließ...« Er stöhnte laut auf. »Es war einfach göttlich.«
»Und, hast du seine Nummer?«, fragte ich.
»Seine Nummer? Unsere Nummer, meinst du wohl. Gegen elf lag er splitterfasernackt auf meiner Couch, o Mann, ich sag dir -«
»Na, das ist ja reizend, James. Was sollst du dich auch lange zieren. Obwohl, ehrlich gesagt – nimmst du es nicht doch ein bisschen sehr locker? Im Zeitalter von AIDS??«
»Ach Süße, sogar du wärst von deinem hohen Ross heruntergestiegen und hättest bedenkenlos auf Knien all deinen Idealen von wegen Nur-der-letzte-Engel-auf-Erden-ist-gut-genug-für-Mich mit Freuden abgeschworen, wenn dir der Typ untergekommen wäre. Glaub mir, er ist der Hammer. Absolut der Hammer!«
Bis elf war alles abgeklärt: zum Beispiel wer irgendwo ein Exemplar der aktuellen Hosenserie von Theory Max oder – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit – die neuesten Sevens-Jeans ergattert hatte. Damit war es Zeit, bei Jeffys Ständern eine Mittagspause einzulegen und dort die Gespräche über Klamotten der besonderen Art fortzuführen. Morgen für Morgen rollte Jeffy die Gestelle für Kleider, Badeanzüge, Hosen, Hemden, Mäntel, Schuhe und alles Übrige heraus, was für die großen Modeaufnahmen
möglicherweise in Frage kam. Er reihte die Ständer wie Spaliere über die gesamte Etage an den Wänden auf, damit die Redakteurinnen das aktuell Gewünschte finden konnten, ohne sich durch die Kleiderkammer kämpfen zu müssen.
Diese war, genau genommen, natürlich keine Kammer, sondern eher eine Art kleine Aula. Umsäumt wurde sie von Schuhen jeder Größe, Farbe und Form, der Traum eines jeden Schuhfetischisten: Dutzende Sandaletten, Slingpumps mit Pfennigabsätzen, flache Ballerinas, hochhackige Stiefel, offene Sandalen und perlenbesetzte Stöckelschuhe. Die Schubladen, ob eingebaut oder lose in irgendeiner Ecke übereinander gestapelt, enthielten sämtliche erdenklichen Abarten von Strümpfen, Söckchen, BHs, Slips, Unterröcken, Miedern und Corsagen. Sie brauchen dringend einen Push-Up-BH von La Perla in Leopardenmuster? Schauen Sie doch in der Kleiderkammer nach. Hautfarbene Netzstrümpfe oder die coole neue Sonnenbrille von Dior? In der Kleiderkammer. Die Schubladen und Regale mit den Accessoires nahmen die komplette Länge der beiden hinteren Wände in Anspruch, und was da an Ware – von ihrem Wert ganz zu schweigen – versammelt war,
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