Der Thron der Welt
Fauchend loderten die Fackeln im Luftzug. Wie riesige Hämmer schwangen die gepanzerten Köpfe der Pferde auf und ab, das Dröhnen ihrer Hufe ließ Heros Brust vibrieren. Sie würden ihn einfach niederreiten. Ihn zu einem knorpeligen Schmierfleck zertrampeln.
Wimmernd hielt er sich die Augen zu.
Der Vorstoß wurde erst so dicht vor ihnen zum Halt gebracht, dass er den schnaubenden Atem der Pferde auf seinem Gesicht spürte. Als der Hieb, den er erwartete, nicht erfolgte, spähte er zwischen seinen Fingern hindurch und sah sich von einem Zaun aus Schwertern eingepfercht, auf deren Klingen der Widerschein der Flammen spielte.
Ein Gesicht stieß zu ihm herab, wilde Augen funkelten zu beiden Seiten des eisernen Nasenschutzes.
«Nehmt sein Schwert.»
Einer der Reiter sprang vom Pferd und ging auf Vallon zu. Hero hielt den Atem an. Er wusste, dass das Schwert heilig war. Jeden Abend, ganz gleich wie beschwerlich die Reise an diesem Tag gewesen war, polierte Vallon sein Schwert sorgfältig mit Öl und Kieselgur. Bestimmt würde er es nicht widerspruchslos hergeben.
Vallon aber sah nicht einmal hin, als der Soldat ihm das Schwert aus der Scheide zog und es seinem Anführer reichte. Der hielt die Klinge mit dem Schlierenmuster ins Licht. «Woher hast du so ein gutes Schwert?»
«Von einem Mohren vor den Toren von Saragossa.»
«Garantiert gestohlen.»
«Gewissermaßen. Ich musste ihn töten, bevor er damit einverstanden war, sich von seinem Schwert zu trennen.»
Das behelmte Gesicht wurde wieder nach vorn geschoben.
«Es herrscht Ausgangsverbot. Du weißt, welche Strafe darauf steht, es zu brechen.»
«Meine Angelegenheit mit Graf Olbec ist zu wichtig, um aufgeschoben zu werden. Ich wäre dir zu Dank verpflichtet, wenn du mich zu deinem Herrn führen würdest.» Der Normanne stützte seinen Fuß an Vallons Schulter ab. «Mein Vater ist betrunken. Ich bin Drogo, sein Sohn. Du kannst deine Angelegenheit ebenso gut mir vortragen.»
Heros Magen zog sich zusammen. Drogo? Meister Cosmas hatte niemals einen Drogo erwähnt.
Vallon schlug sich an die Brust. «Ich trage diese Last schon seit dem letzten Sommer mit mir herum. Ich werde sie noch eine weitere Nacht ertragen.»
Drogo streckte das Bein aus und schob Vallon damit rückwärts. «Entweder sagst du es mir jetzt, oder ich knüpfe euch beide an den Eiern auf.»
Heros Hoden zuckte. Das war keine leere Drohung. Erst vor drei Tagen hatte er in York einen brüllenden Mann gesehen, dem die Körperteile abgerissen worden waren, die ihm die größten Wonnen hätten bereiten sollen.
«Euer Bruder lebt!», piepste er.
Drogo brachte das erstaunte Murmeln seiner Leute mit einer Handbewegung zum Verstummen. «Dieser Halunke lügt, und ich lasse jeden häuten, der diese Unwahrheit wiederholt.» Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. «Womöglich sind sie nicht allein. Fulk, Drax, Roussel – ihr bleibt bei mir. Alle Übrigen setzen über den Fluss und verteilen sich. Sie verstecken sich wahrscheinlich im Wald. Kommt nicht zurück, bevor ihr sie gefunden habt.»
Er wartete, bis die Reiter im Schneetreiben verschwunden waren, dann ritt er im Kreis um die beiden Reisenden herum.
«Mein Bruder ist tot. Er ist bei Manzikert im Kampf für den Kaiser gestorben.»
Hero warf Vallon einen verstohlenen Blick zu.
«Ein falsches Zeugnis», sagte der Franke. «Ich habe Sir Walter zwei Wochen nach der Schlacht aufgesucht. Er ist bei guter Gesundheit. Er hat beim Kampf einen Hieb auf den Kopf abbekommen, aber keine bleibenden Schäden davongetragen.»
«Das glaube ich dir nicht.»
«Glaubst du, ich würde ein halbes Jahr vergeuden, um eine Lüge in dieses elende Grenzgebiet zu tragen?»
Drogo setzte Vallon die Schwertspitze an die Kehle. «Ich will einen Beweis.»
«Vor der angemessenen Zuhörerschaft.»
Drogo hob das Schwert. «Ich kann dich augenblicklich zur angemessensten Zuhörerschaft schicken, die man sich nur vorstellen kann.»
«In der Satteltasche», platzte Hero heraus. «Die Bedingungen für seine Freilassung.»
Die Soldaten durchwühlten ihre Besitztümer. Einer von ihnen fand den Siegelring und reichte ihn Drogo.
«Wo hast du das gestohlen?»
«Das hat mir dein Bruder gegeben.»
«Lügner. Du hast ihm den Finger abgeschnitten, als er tot war.»
Ein Soldat hielt die Dokumente in die Höhe. Drogo stopfte sie unter seinen Waffenrock. Dann ließ er das Astrolabium an seiner Schwertspitze baumeln. «Teufelszeug», sagte er und schleuderte es in die
Weitere Kostenlose Bücher