Der Thron der Welt
Voraus zu wissen, bei welchem Wetter Ihr den Feind angreift.»
«Ich brauche keine Zauberei, um einen Kampf zu planen.»
Doch sosehr er es auch versuchte, Vallon konnte den Ring nicht mehr vom Finger drehen. Vor ihm tauchte das Bild des Griechen mit seinem listigen Blick auf. «Bevor dein Meister starb, hat er dir etwas gegeben. Was war das?»
«Oh, das. Das war nur eine Abschrift von Konstantins Reiseführer, das
Viaticum peregrinantis
. Ich habe es hier», sagte der Sizilianer und klopfte auf seine Satteltasche. «In einem Kästchen zusammen mit Heilkräutern und Medizin.»
«Und was noch?»
Der Sizilianer zog eine filigrane Messingscheibe heraus, ähnlich der Scheibe, die Vallon einmal einem maurischen Hauptmann abgenommen hatte, der unter seinem Schwert in Kastilien gestorben war.
«Das ist ein Astrolabium», erklärte der Sizilianer. «Ein arabischer Sternenführer.»
Als Nächstes zeigte er Vallon eine Elfenbeintafel mit einer konischen Nadel in der Mitte und geometrischen Schnitzereien am Rand. Auf die Nadel legte er einen kleinen Eisenfisch.
«Meister Cosmas hat ihn von einem chinesischen Händler auf der Seidenstraße. Die Chinesen nennen den geheimnisvollen Fisch einen Südweiser. Seht her.»
Er hielt die Apparatur auf Armeslänge von sich und bewegte sich in einem Halbkreis, zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Dann ließ er sein Pony im Kreis gehen und wiederholte die Vorführung.
«Ihr seht, ganz gleich, wohin ich mich wende, der Fisch ändert seine Position nicht, er zeigt immer nach Süden. Aber jede Richtung hat ihren Gegensatz. Und der Gegensatz von Süden ist Norden – die Richtung, in die mein Weg führt.»
«Und meiner geht nach Süden, also einigen wir uns darauf, dass der Doppelzeiger uns beide leitet.»
Der Sizilianer hängte sich wie eine Klette an ihn. «Ihr habt gesagt, Ihr würdet in den Krieg ziehen. Im Norden gibt es auch Kriege. Reitet mit mir, und Ihr reitet bequem.»
«Wenn ich auf Bequemlichkeit aus wäre, hätte ich dir schon lange die Kehle durchgeschnitten und mir dein Silber genommen.»
«Ich würde nicht so offen reden, wenn ich nicht sicher wäre, dass Ihr einen guten Charakter besitzt.»
«Ich habe das Maultier deines Meisters gestohlen.»
«Es war ein Geschenk. Ich kann nicht auf zwei Tieren gleichzeitig reiten. Davon abgesehen sollte ein Ritter nicht zu Fuß gehen.»
«Wer sagt denn, dass ich ein Ritter bin?»
«Eure Ausdrucksweise und Eure vornehme Haltung. Und das prächtige Schwert, das Ihr tragt.»
Es war, als hätte sich ein Mückenschwarm auf ihn gestürzt. Vallon zügelte das Maultier. «Ich erkläre dir jetzt den Unterschied zwischen Norden und Süden. Erstens ziehe ich es vor, unter der wärmenden Sonne zu kämpfen, statt mich auf einem Schlammfeld zu dreschen. Zweitens kann ich nicht nach Frankreich zurück. Ich bin geächtet. Der Mann, der mich gefangen nimmt, bekommt für mich dieselbe Belohnung wie für einen abgelieferten Wolfskopf. Es schreckt mich nicht, in der Schlacht zu sterben, aber ich ersehne mir kein Ende, bei dem ich auf einem Dorfplatz gehenkt werde und der Schweinemetzger mir die Därme aus dem Leib zieht, um sie mir zur Besichtigung entgegenzuhalten.»
Der Sizilianer biss sich auf die Unterlippe.
«In einem hast du allerdings recht», sagte Vallon. «Du bist zu empfindsam für diese Aufgabe. Ich erlaube dir, mich bis Aosta zu begleiten. Dort übergibst du die Auslöseforderung den Benediktinern. Für ein paar von deinen Münzen leiten sie das Schreiben von einer Abtei zur nächsten weiter. Es wird viel früher in der Normandie sein, als du es hinbringen könntest.»
Der Sizilianer sah zum Pass hinauf. «Mein Meister hat gesagt, eine unvollendete Reise ist wie eine nur halb erzählte Geschichte.»
«Mach dich nicht lächerlich. Eine Reise ist nichts weiter als ein anstrengender Weg zwischen einem Ort und einem anderen.»
Die Augen des Sizilianers schwammen in Tränen. «Nein. Ich muss weiterziehen.»
Vallon seufzte schwer. «Das Entgelt für meine Ratschläge», sagte er und hob den Finger mit dem Ring, den er nicht mehr abziehen konnte. «Verkauf dieses gute Pony und besorg dir stattdessen eine Schindmähre. Tausche dein buntes Gewand gegen eine Pilgerkutte. Rasier dir den Kopf, schaff dir einen Pilgerstab an und murmle Gebete vor dich hin. Schließe dich einer Gruppe Reisender mit einer bewaffneten Eskorte an und übernachte nur in Herbergen. Schwatz nicht über Lösegeldforderungen und wedele nicht mit Münzen
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