Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
gewidmet.
Vier Männerbilder, vier Frauenbilder
Ich möchte jetzt noch auf ein Modell Bezug nehmen, das aus der Psychologie von C. G. Jung kommt, sich aber in der Astrologie sehr gut anwenden lässt. Es ist ein Strukturmodell der männlichen und weiblichen Psyche, in dem vier Männer-und vier Frauentypen gezeichnet werden, die wie bei einem Kreuz zu jeweils zwei Gegensatzpaaren angeordnet sind. Fängt man bei den weiblichen Bildern an, dann wird die waagrechte Achse links durch die Mutter und rechts durch die Hetäre gebildet. Die senkrechte Achse enthält im oberen Teil die Amazone und im unteren die mediale Frau. Die entsprechenden vier männlichen Typen sind auf der waagrechten Achse der Vater mit dem Gegenpol des ewigen Jünglings oder Puer aeternus, und auf der senkrechten oben der Held, unten der Weise.
Die Mutter oder maternale Frau muss nicht biologisch Mutter sein, sondern sie verkörpert die erdnahe, fürsorgliche, familienorientierte Weiblichkeit, die helle Seite des Mütterlichen, das Beschützende. In ihrem Umfeld kann etwas wachsen, da fühlt man sich sicher und aufgehoben. Die dunkle Seite der maternalen Frau hat etwas Erstickendes, das ist die Übermutter, die auch dann noch bemuttert und versorgt, wenn das Objekt dieser Fürsorge das gar nicht mehr braucht und will. Der Gegenpol, die Hetäre, ist eine Frau, die oft sehr klug ist, in der positiven Ausprägung eine Femme inspiratrice, die eher im Salon zu Hause ist, eine Gefährtin auf Zeit, der es vor allem um Individuation, um Selbstfindung geht, auch auf der geistigen Ebene. Die Schattenseite der Hetäre, die äußerst anregend sein kann, ist die Femme fatale. Sie bringt mit Vorliebe all das durcheinander, was sich im Reich der maternalen Frau so wunderbar fügt.
Die Amazone ist eine Frau, die ihre Identität vor allem in der äußeren Welt sucht, die leistungsorientiert ist, sich gut organisieren kann, auch im Beruf. Sie würde keinem Mann nachfolgen, sie ist eine stolze, autonome Frau. Die Schattenseite der Amazone ist, dass sie sehr herzlos sein kann und dass sie zu inneren Welten wenig Zugang hat. Diese inneren Welten sind hingegen die Heimat des Gegenpols der Amazone, der medialen Frau. Das kann auch die Hexenfrau sein – interessanterweise kommt das Wort Hexe von hagazussa , das heißt »die Zaunreiterin«, und der Zaun verbindet oder trennt zwei Welten. Die mediale Frau kann man deshalb auch als Mittlerin zwischen den Welten verstehen, etwa den Welten des Unbewussten und des Bewussten. In unserer Kultur ist die Hexe ausschließlich negativ besetzt, man denke nur an die Inquisition, aber die Hexe hat wie jeder Archetyp eine Licht-und eine Schattenseite. Die mediale Frau ist in den unsichtbaren Welten zu Hause, sie ist die Esoterikerin, eine Grenzgängerin im positiven wie im negativen Sinn. Sie kann vielleicht keinen Nagel in die Wand schlagen, aber ihr Innenleben ist unglaublich reich.
Entsprechend sind die vier Männertypen angelegt. Der Vater ist in seiner hellen Ausprägung der Beschützer, der Ernährer, der erdnahe Versorger. Die Stärke des Vatertyps ist Verantwortung. Die Schattenseite dieses Männerbildes ist der rigide, patriarchale Herrscher, aus dessen Reich man nicht mehr hinausfindet, der es den Kindern schwer macht, das alte Königreich zu verlassen. Der Gegenpol dazu, der ewige Jüngling, ist ein Männertyp, dem es um Individuation geht, um Selbstfindung, durchaus auch auf der geistigen Ebene. Der Puer kann sogar manchmal der bessere Vater für die Kinder sein, weil er dafür sorgt, dass sie sich individuieren. Ein Puer-Vater bläst seinen Kindern Wind unter die Flügel, er ermöglicht ihnen eine Ausbildung und schickt sie in die Welt hinaus. Die Schattenseite des Puer ist Verantwortungslosigkeit. Alles, was mit Pflicht zu tun hat, löst bei ihm Atembeschwerden aus.
Der Held ist der Männertyp, der in unserer Kultur besonders geschätzt wird. Ein großer Mann werden, Macht und Bedeutung erlangen, in der Politik oder sonstwo beruflich, ist das Ziel der meisten Männer. Die Schattenseite des Helden ist das Fehlen des Bezugs zur inneren Welt und die damit verbundene Geringschätzung dieses Bereichs. Er kann ein Blaubart sein, der finstere König, der im Märchen die getöteten Frauen in der geheimen Kammer versteckt, das heißt, die getöteten Gefühle in seiner Herzenskammer verbirgt. Der Held kann in der äußeren Welt alles Erdenkliche erreichen, aber in der inneren Welt, auch auf der tieferen Ebene der Beziehung,
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