Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
nicht mäßigend einbremsen wollen, wie es sonst ihre Art ist. Er spürt keine Genugtuung. Vier Familien, die zerrissen worden sind, geschreddert wie Altpapier. Da kannst du nichts mehr zusammenfuzzeln. Auch nicht mit der geschissenen Gerechtigkeit. Aus. Vorbei.
Draußen vor der Tür steht der Polizeirat. Über das Wesentliche wird ihn seine Kollegin ins Bild gesetzt haben. Er mag auch den tobenden Wenzel gehört haben. Die Wände hier sind bessere Spanplatte.
Entspannt wirkt er. Beinahe fröhlich. Natürlich mit erstem Anstrich übertüncht. Du kannst nicht gut jodelnd über den Flur steppen, wenn deine Mannschaft auf sämtliche Regeln scheißt, als wäre die Dienststelle ein Dixiklo.
Er wendet sich dem Sandner zu und streckt ihm den Arm entgegen. In der Hand hält er Sandners Dienstausweis.
»Den hast du bei mir vergessen.«
Der Mann greift nicht zu. Er schaut dem Polizeirat ins Gesicht, zwinkert ihm zu.
»Weißt«, sagt er, »das ist gar kein so schlechtes Gefühl. Der Tag fängt freundlicher an ohne den Lappen, verstehst du?«
Einen letzten verblüfften Blick fängt er noch auf, bevor er sich umdreht.
Als er nach draußen hatscht, ist die Wiesner an seiner Seite.
Die Sonne kramt ein paar kümmerliche Strahlen hervor, und sie haben noch einen Job zu erledigen.
D er Fuhrer liegt auf der Stadelheimer Krankenstation. Vom Vierbettzimmer ist er auf Veranlassung der Wiesner in einen leeren Raum gerollt worden. Nur ein Bett hat Platz im fensterlosen Kabuff. Eine Abstellkammer. In der Luft der typische Krankenhausgeruch. Mischung aus Urin, Salben und Putzmittel. An den Wänden Spritzer und Flecken verschiedener Konsistenz. Braun dominiert. Man sollte sich nicht näher damit befassen.
Der Mann sieht nicht gut aus. Der Sandner hat schon Leichen in besserem Zustand gesehen. Die Wangen eingefallen, als wäre ihm das Fleisch um die Knochen weggeschmolzen.
Links und rechts auf der Bettkante lassen sich die beiden Ermittler nieder.
»Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen?«, werden sie begrüßt.
»Seien Sie ein wenig freundlicher. Sonst besuchen wir Sie nicht mehr«, sagt der Sandner. Er sieht den Häftling zum ersten Mal. Der kleine Bene hat denselben Zug um den Mund. Eindeutig seiner.
»Was wollts?«, will der Fuhrer wissen.
Der Hauptkommissar schnauft aus. Er betrachtet die Apparate, die um den Fuhrer herum aufgebaut sind. Ein Schlauch verschwindet von einer Infusionsflasche ausgehend unter der Bettdecke. Auf einem kleinen Tischchen stehen eine Teetasse und ein Nierenschalenstapel aus Altpappe.
»Wir haben uns gefragt, warum Sie den schwarzen Mann nicht erkannt haben wollen. Genug Zeit wäre gewesen. Und wir haben uns gefragt, warum Sie nicht zugegeben haben, dass Sie es gewesen sind.«
»Geht das schon wieder los. Dazu hab ich alles gesagt. Mehr gibt es nicht. Kapierts das endlich!«
»Wissen Sie, Fuhrer, wir glauben nicht, dass Sie es waren. Wir wissen, wer es war.«
Der Mann ruckt hoch. Aus gelblichen Augen wird der Hauptkommissar angestarrt.
»Und wenn schon?«, keucht der Mann. »Wem bringt des was?«
»Soll der kleine Bene seinen Vater für einen Mörder halten?«
»Der wird schon klarkommen.«
»Vielleicht gut so.«
»Ja.«
»Besser, als wenn er seine Mutter für eine Mörderin halten muss.«
Der Fuhrer sagt nichts. Er schüttelt nur den Kopf und presst die Augenlider zusammen. Als wäre er ein kleines Kind. Ich seh dich nicht, also siehst du mich auch nicht.
»Wir haben uns auch gefragt, warum Sie nicht einfach gesagt haben, dass Sie es gewesen sind«, fährt der Sandner fort. »Aus Angst. Aus Angst, jemand könnte nachweisen, dass Sie nicht der Täter sind. Jemand könnte zwei Personen gesehen haben, oder das ganze kriminaltechnische Brimborium schließt Sie aus. Da kann man nie sicher sein. Und dann hätte jeder sich gefragt, warum gesteht der Fuhrer einen Mord, den er nicht begangen haben kann? Und darauf hätte es nur eine Antwort gegeben. Ruckzuck wäre man bei Ihrer hochschwangeren Frau gelandet. Das war nicht dumm. Die Staatsanwaltschaft hat sich nur damit beschäftigt, andere Täter auszuschließen.«
»Die haben es mir nachgewiesen. Was wollen Sie noch?«, keucht der Fuhrer.
»Wie Ihre Frau Ihnen geholfen hat und den Wessold erstochen hat, war Ihnen klar, dass Sie eine Lösung brauchten. Sie haben sich schon gedacht, dass die Staatsanwaltschaft alles tun wird, um Sie zu verurteilen. Der Unbekannte? Ein schwarzer Mann? Schönes Märchen.«
»Wem bringt des was?«, wiederholt der
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