Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
sich.
Der Wenzel macht sich bereit für den Ausbruch.
Ein höflicher Hauptkommissar öffnet die Tür und lässt der Staatsgewalt den Vortritt, bevor er sie hinter sich schließt.
Der Wenzel bleibt bei der Tür stehen, trotzig die Arme vor der Brust verschränkt. Er wippt auf den Zehenspitzen, beäugt seinen blitzenden Schweizer Chronometer. Die Ungeduld präsentiert sich nackt, wie Gott sie schuf.
Der Sandner setzt sich hinter seinen Schreibtisch. Der Stuhl fühlt sich ungewohnt an. Hat den wer verstellt? Er mustert den Papierstapel, das zugeklappte Laptop und die ungespitzten Bleistifte. Alles so, wie er es verlassen hatte. Niemand hat sich hier breitgemacht. Sogar der Staub ist an seinem Platz geblieben.
Er schaut hoch zum Staatsanwalt.
»Und?«, schnarrt dessen Stimme durch den Raum. »Was haben Sie zu sagen?«
Der Sandner lehnt sich zurück und wirft einen Blick zum Fenster.
»Frau Brauner ist wieder aufgetaucht. Ein Missverständnis. Alles paletti.«
Der Wenzel greift sich beidhändig an den Kopf. Ohne Fassung könnte ihm die Birne herunterkippen.
»Sind Sie übergeschnappt?«, brüllt er. »Wen, glauben Sie, wen Sie vor sich haben!«
»Ich weiß, wen ich vor mir hab, keine Sorge. Das ist die offizielle Version, Herr Staatsanwalt.«
Der Wenzel lacht höhnisch auf.
»Offenbar vollkommen größenwahnsinnig. So weit kommt es noch. Sie können sich nicht über Recht und Gesetz hinwegsetzen, Sandner, wie es Ihnen grad in den Kram passt. Sie nicht! Entführung ist ein Kapitalverbrechen! Die Täter ...«
»Hören’S gut zu, Herr Wenzel. Weil Sie geplaudert haben über meine verdeckte Tätigkeit, hat der Yilmaz sterben müssen und ...«
»Sind Sie ...«
»Warten’S – das Beste kommt noch. Weil Sie nämlich noch mal die Ratschn gegeben haben, hätte das Madl auch beinahe dran glauben müssen. Sie haben mir den Kastelmeyer auf den Hals gehetzt, der alle Welt mit meiner Dienstpistole zamschießen wollt. Fast hätte es geklappt. Das sieht nicht schick aus in den Akten. Da werden Sie sich den ›Ober‹ abschminken können. Nix als Fehler, Fehler, Fehler.«
Der Sandner klappt den Laptop auf. »Das wird mein erstes Wort im Ermittlungsbericht. Mit zwei Ausrufezeichen!«
Natürlich geht dem Wenzel ein Licht auf. Er braucht nur ein paar Sekunden. Kaum brennt die Fackel im Hirnstüberl, kann er sich getrost umschauen. Dantes Inferno wartet auf ihn. Das Westentaschenformat für übereifrige Staatsanwälte. »Die, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.«
»Sie haben mich missbraucht für Ihre miesen Spielchen und wollen mich jetzt auch noch erpressen?«, zischt er. »Das lass ich nicht zu!«
Mit drei Schritten hat er den Raum durchquert und steht vor Sandners Schreibtisch. Wenn er Empörung zu Gold verwandeln könnte, wie Rumpelstilzchen das Stroh, der Wenzel hätte ausgesorgt. Hier verwandelt sich bloß sein Kopf in eine rote Rübe. Sein Adamsapfel ist ein Jo-Jo. Wenn er nur nicht umfällt wie der Kastelmeyer. Aber dafür ist er zu gut konstituiert. Jeden Morgen vier Kilometer Joggen an der Isar. Jetzt kann der Mann davon zehren. Es wäre wünschenswert, ist aber nicht die Regel, dass der gesunde Körper gesunden Geist beinhaltet.
Der Sandner räuspert sich. Angestarrt wird er vom Wenzel, als wäre er ein widerliches, giftiges Insekt. Damit kommt er klar. Im Gegenteil wäre es angenehm, nicht der gleichen Spezies anzugehören wie ein gemeiner Wenzel.
»Ja«, sagt er pragmatisch. »Keine Entführung – keine Erwähnung Ihrer groben Fahrlässigkeiten in der Ermittlungsakte zum Fall Yilmaz. So schaut’s aus.«
»Das können Sie nicht ernst meinen!«
»Todernst, oder hören’S mich lachen?«
»Wer nicht kann, was er will, muss wollen, was er kann«, meint der Dalai Lama. In dieser Hinsicht werden dem Wenzel nicht viele Wünsche übrig bleiben.
Der Sandner springt auf und lüftet einen imaginären Hut.
»Ich sollt jetzt zum Polizeirat. Empfehle mich. Denken’S in Ruhe nach. Sie haben noch zehn Minuten, bis die Kollegen vom LKA aufschlagen. Viel Spaß. Die Oberkommissarin Wiesner ist ja noch im Haus, wenn Sie sie bräuchten. Und der Oberstaatsanwalt Brauner erwartet Ihren Anruf.«
In Zukunft sollte er dem Wenzel nicht mehr den Rücken zudrehen, wenn er eine solche haben wollte. Möglicherweise hätte es der Staatsanwalt eine Nummer fairer haben können, aber der Sandner spielt nicht den Franziskus, nachdem der Wenzel ihn zum Mordverdächtigen deklariert hatte. Selbst die Wiesner hat ihn
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