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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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sitzt im Gefängnis und muss dort wohl auch noch eine Weile bleiben.«
    Der Wirt deutete ein Lächeln an. Vermutlich, um seine Verlegenheit zu überspielen. Oder um mir zu zeigen, dass er meinen Worten nicht allzu viel Glauben schenkte.
    »Seit wann schicken Häftlinge Wachleute in der Weltgeschichte herum, um ihre Kinder aufspüren zu lassen?«
    »Ich bin kein Gefängniswärter. Ich bin Privatdetektiv.«
    »Wenn ich mich recht entsinne, sind die Sannas aus Lanusei und nicht aus Tertenia.«
    »Ganz genau. Trotzdem ist Gabriele Sanna davon überzeugt, dass sein Sohn sich hier rumtreibt.«
    Der Sarde zuckte mit den Schultern. Als ein Mädchen die Bar betrat und ihn um einen halben Liter Milch bat, nutzte er die Gelegenheit, sich von mir abzuwenden. Nachdem er sie bedient hatte, bezahlte ich meinen Kaffee und verabschiedete mich.
    Als ich ins Freie trat, hatte ich das unbestimmte Gefühl, soeben eine Zeitbombe gelegt zu haben. Der gleißende Asphalt zwang mich, die Sonnenbrille aufzusetzen, obwohl ein kühles, frisches Lüftchen wehte.Ohne die Vespa, meinen Helm und die Tasche zu beachten, ging ich zu Fuß die Via Roma entlang bis zur nächsten Bar. Die gleiche Szene wiederholte sich in zwei weiteren Cafés, wo ich einen Toast und ein Glas frischen Vermentino zu mir nahm. Am Ende war ich genauso schlau wie vorher. Ich ging zurück zu meiner alten 200 PX und fuhr in Richtung Sarrala.
     
    Virgilio Loi saß auf der Veranda, hinter der die beiden Wohnungen lagen. Seine eigene und die, die er an Gäste vermietete. Von außen sahen die Häuschen gleich aus, doch das täuschte: Das eingeschossige, leicht erhöht liegende Haus, in dem die Gäste untergebracht wurden, hatte nämlich verputzte Wände und warmes Wasser. Die Außenwände waren weiß getüncht, auf allen vier Seiten befanden sich mit Aluminiumrollos und Fliegengittern geschützte Fenster.
    Virgilio hielt eine Flasche Ichnusa-Bier in der Hand und kaute auf einem kalten Toscano-Stummel herum. Offensichtlich hatte er schon eine ganze Weile auf mich gewartet. Er war längst nicht mehr der junge Mann, den ich einst in Novara kennengelernt hatte, denn er war nicht nur dreißig Jahre älter, sondern auch dreißig Kilo schwerer geworden und hatte inzwischen schneeweißes Haar. Jetzt, da er nicht mehr im Dienst war, trug er es im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Auch der Bart, der wohl seit ein paar Tagen keinen Rasierapparat mehr gesehen hatte, war komplett weiß. Als er noch seine Wärteruniform trug, hätte man ihm das nie erlaubt: Ein Gefängnisaufseher kann unmöglich einen Bart und lange Haaretragen. Eins aber hatte sich nicht geändert: Virgilios schwarze Augen, die immer ein Stück über den Horizont hinausschauten. Darin sah ich ihm jetzt seine Freude an, mich wiederzusehen, auch wenn seine Gesten wie immer verhalten und seine Worte eher sparsam waren. Gefühle zu zeigen, war noch nie seine Stärke gewesen.
    Stattdessen legte er mir eine Hand fest auf die Schulter.
    »Na endlich. Ich habe mir schon langsam Sorgen gemacht.«
    Im Sonnenlicht setzte sich die weiße Mähne hell leuchtend von seinem Gesicht ab. Harte Züge, in welche die Zeit deutlich sichtbare Falten gegraben hatte, tief wie die Gedanken, die seine stillen Momente erfüllten. In jungen Jahren hatte sein sehniger Körper an den Stamm eines Olivenbaums erinnert, inzwischen waren davon nur noch die Verwachsungen seiner kräftigen Muskulatur übrig, die unter der wohligen Fettschicht eines pensionierten Beamten ruhte, jedoch noch jederzeit einsatzbereit war. Ein Mann, der endlich vom Zwang der Uniform befreit war und sich nun allein dem fruchtbaren Boden und der Betrachtung des Meeres widmen konnte.
    »Sorgen? Wieso das denn?«
    »Weil du einen echt miesen Job hast. Und weil man nie wissen kann.«
    Da war sie schon  – die erste von vielen Perlen der Weisheit, die ich während meines unvorhergesehenen Aufenthalts in Tertenia serviert bekommen würde.
    Ich ließ mich in einen der Korbstühle vor dem Holztischfallen, holte eine Pfeife aus meiner Tasche, die erste, die ich zu fassen bekam, eine kanadische Savinelli, stopfte sie in aller Ruhe und zündete sie genüsslich an. Virgilio hatte es sich inzwischen in dem anderen Korbstuhl bequem gemacht.
    Auf dem Tisch stand eine Flasche, die auf den ersten Blick aussah, als wäre sie mit Wasser gefüllt. Aber die glänzenden Tropfen, die daran herunterliefen, verrieten mir, dass es kein Wasser sein konnte.
    »Grappa?«
    Jetzt lachte er, der alte

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