Der Tod Verhandelt Nicht
verziehen, dass ich sie wie eine Sklavin gekauft hatte. Und mit den Jahren steigerte sich ihr Hass immer mehr, bis sie mir irgendwann sogar ins Gesicht sagte, dass sie hoffe, mich würde jemand umbringen.«
»Sie umbringen?«
»Ich traue Aristarco nicht über den Weg. Und ich weiß nicht, was die Gebrüder Canu in Wirklichkeit von mir wollen.«
»Fürchten Sie etwa, dass auch Ihre Frau in die Sache verwickelt ist?«
»Daran will ich gar nicht denken.«
Einmal mehr kamen mir Virgilios Worte in den Sinn.
Diese Frau ist vom Hass zerfressen
.
Sie kann eine Sache ganz besonders gut: wehtun – und zwar sich selbst und anderen
. Doch das Ganci zu sagen, wäre gewesen, wie auf ein verwundetes Tier zu schießen. Ich versuchte, das Ganze herunterzuspielen.
»Aber war es denn nicht so«, warf ich ein, »dass Sie Ihre Frau dadurch von der Straße geholt haben? Sie haben das doch nur getan, um sie freizukaufen.«
Er sah mich an, als wäre ich ein geistig Minderbemittelter, der in Jubel ausgebrochen ist, weil er den Mond in einem Brunnen entdeckt hat.
»Ich glaube nicht, dass Martine das genauso sieht«, antwortete er mit einem sarkastischen Lächeln. »Huren sind es gewöhnt, ihren Körper zu verkaufen. Er ist ihre einzige Ware, und zumindest die weitsichtigen unter ihnen achten darauf, ihn so lange wie möglich in einem guten Zustand zu erhalten. Martine hat das tadellos hinbekommen, finden Sie nicht? Mit der Seele dagegen sieht es ein bisschen anders aus.«
»Ich habe schon Nutten in den Fängen internationaler Sexbanden kennengelernt, richtige Sklavinnen, deren Leben weniger wert war als eine kurze Nummer auf dem Rücksitz. Ich könnte Ihnen nicht mit Gewissheit sagen, ob diese Frauen ihren Körper verkauft haben oder ihre Seele.«
»Man merkt, dass Sie meine Frau noch nicht richtig kennengelernt haben. Das sind menschliche Wesen!Sie müssen doch ihre Seele bewahren! Sonst werden sie früher oder später umgebracht oder bringen sich selbst um.«
»Das heißt, Sie haben die Seele Ihrer Frau gekauft?«
»Nein, aber ich glaube, dass sie es so sieht.«
»Was hätten Sie gemacht, wenn er Ihnen Martine nicht überlassen hätte?«
»Hat er aber. Ich habe sie jedenfalls hinters Licht geführt. Ich habe sie in dem Glauben gelassen, dass ich sie gewaltsam befreit hatte. Dabei habe ich sie gekauft, genau wie ihre Freier auf der Promenade des Anglais, nur eben für alle Zeiten.«
Kopfschüttelnd stand ich auf. »Ihre Frau ist ein Prachtexemplar der unfreiwilligen Komik. In einem Groschenroman würde sie als romantische Heldin, die ihr Leben auf dem Altar ihres Wahns opfert, eine großartige Figur abgeben. Aber Sie haben ein Vermögen angehäuft, auf welche Weise auch immer. Lassen Sie sich von Ihrer Frau nicht länger auf der Nase herumtanzen. Und vor allem, versuchen Sie, Ihre Haut zu retten, solange es noch geht!«
Ganci sah mich bestürzt, aber auch mit einer Spur Dankbarkeit an.
»Sie werden mir also helfen?«
»Ich werde Ihnen helfen, so lange wie möglich am Leben zu bleiben«, antwortete ich und ging ohne ein weiteres Wort davon.
Während ich über den Hof lief, ließ ich mir seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen.
Eine Frau weiß stets alles von ihrem Mann. Sie kann sich blind stellen, aus Berechnung oder um des lieben Friedens
willen, trotzdem entgeht ihr nichts
. Ich musste an Clara denken. An Mara. An all die Frauen, die ich hatte ziehen lassen und die ich hätte halten können, wenn sie nur so getan hätten, als merkten sie nichts. Auch sie hatten letztendlich keine Gnade walten lassen. Glücklicherweise begnügte sich die eine mit einer angemessenen Unterhaltszahlung und die anderen mit ein paar glücklichen Erinnerungen, die sie im Hinterhofgarten ihres Lebens kultivieren konnten. Keine von ihnen hatte je den unseligen Wunsch geäußert, mich tot zu sehen. Und keine hatte bisher ein Komplott zu meiner Beseitigung geschmiedet.
Der Geruch des Todes
Ich machte mich zu Fuß auf den Heimweg die Nuraghen-Straße hinunter. Die Haustür stand wie immer offen. Aglaja war nicht da. Beim Mittagessen hatte sie erklärt, dass sie am Nachmittag an den Strand gehen wolle, weshalb ich beschloss, mir ausnahmsweise keine Sorgen zu machen. Am nächsten Morgen würde sie ohnehin mit Virgilio, Laura und Angelica nach Cagliari fahren, dann war sie endgültig in Sicherheit. Aus der Schublade der Anrichte nahm ich meine Sonnenbrille und hinterließ auf dem Tisch einen Zettel, den ich wieder mit der bewährten
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