Der Tod Verhandelt Nicht
registriert war oder nicht, wusste ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich hatte das einfach so auf gut Glück gesagt. Anscheinend hatte ich mit meiner Behauptung voll ins Schwarze getroffen.
»Ich habe ihm vertraut«, antwortete er nur.
Es folgte ein langes Schweigen, in dem Ganci vielleicht spürte, wie sein fein säuberlich errichtetes Kartenhaus Stück für Stück zusammenfiel. Die Situation erschien mir vollkommen absurd. Sein verzweifelter Wunsch, die Dinge in Ordnung zu bringen, würde denVerdacht seiner Verfolger nur bestätigen. Wenn er, wie er mir gerade weismachen wollte, tatsächlich nichts mit der Sache zu tun hatte, warum sollte er dann zulassen, dass die Leute ihn für jemanden hielten, der er gar nicht war? Für den Banditen, der nach dem Mord an Mario Canu und der Erbeutung des Diebesgutes kurz vor seinem Tod Reue zeigte und jedem seinen Anteil aushändigte?
Er forschte in meinem Blick, und vielleicht erriet er sogar meine Gedanken, da er ganz unvermittelt erklärte: »Sie hätten besser nicht herkommen sollen.«
»Glauben Sie wirklich, dass man Sie dann in Frieden hätte sterben lassen?«
»Bevor Sie herkamen, um Sannas Sohn zu suchen, haben sie mich in Ruhe gelassen.« Mit einer Geste, die all seine Mutlosigkeit zum Ausdruck brachte, barg er das Gesicht in den Händen und schüttelte wieder den Kopf. »Aber was soll’s … mittlerweile ist sowieso alles egal.«
»Wie meinen Sie das?«, drängte ich ihn, weiterzusprechen.
»Der Tod macht mir keine Angst. Es geht um sie. Ich tue das alles doch nur für Martine. Was, glauben Sie, würde passieren, wenn ich sterben würde und sie all meine Ländereien verwalten müsste?«
»Vincenzo ist ja auch noch da.«
»Der Junge hat jede Menge Mumm und Muskeln, aber keinen Grips. Sie würden Kleinholz aus den beiden machen. Im Handumdrehen.«
»Hat Aristarco Ihnen das eingeredet?«
»Das war nicht notwendig. Es ist offensichtlich.«
»Sind Sie sicher, dass Ihre Frau das alles interessiert?«
Er musterte mich misstrauisch und ein wenig gereizt. Fast als mimte ich den Anwalt des Teufels und wollte seine Pläne durchkreuzen. Seine Lippen waren zu einer leidenden Grimasse verzogen, und in seinen Mundwinkeln hatte sich etwas Speichel angesammelt. Jetzt erst bemerkte ich, dass ihm Schweißperlen auf der Stirn standen.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte er.
»Ich hatte den Eindruck, dass Ihre Frau das ganze Geld nicht im Mindesten kümmert.«
»Martine hasst mich«, sagte er unvermittelt. Es klang wie ein Röcheln, in dem das ganze Grauen ihrer kleinen alltäglichen Hölle lag. »Deshalb wollte sie auch nie ein Kind von mir.«
»Mir hat sie gesagt, dass sie nicht wollte, dass ihr Körper aus der Form gerät.«
»Ihr Körper, klar. Auf den hat sie immer wahnsinnig aufgepasst. Aber nur, weil sie nicht mehr daran geglaubt hat, eine Seele zu besitzen.« Er schien sie gut zu kennen. Besser als irgendjemand sonst. »Das war allerdings nicht der Grund. Hat sie Ihnen je erzählt, wie wir uns kennengelernt haben?«
»Die Geschichte mit dem Korsen?«
»Hat sie Ihnen auch gesagt, wie ich sie dem Mann abgeluchst habe?«
»Sie erzählte mir, dass Sie ihn bedroht hätten.«
Sein Blick verschleierte sich, und das Blau seiner Augen wurde so trüb, dass es fast grau erschien. »Sie hat gelogen. Der Kerl war eine kleine Nummer, doch wenn ich ihm gedroht hätte, wären die Zuhälter der gesamten Côte d’Azur hinter mir her gewesen. Sie dulden keineÜberläufer, denn jede durchgebrannte Hure dient den anderen Mädchen als Vorbild und untergräbt ihre Macht. Ich wollte Martine um jeden Preis, und um sie zu bekommen …« Er verstummte, und sein Schweigen roch nach Scham und Demütigung. Er war dabei, mir die Wahrheit anzuvertrauen, die alles erklären würde. Das, was zwanzig Jahre Hass genährt hatte. »Ich habe den Mann bezahlt.«
»Sie meinen …«
»Ich habe sie gekauft. Genau wie die Weinberge, die Ställe und das Land.«
»Und Ihre Frau wusste das?«
Meine Kehle und mein Mund fühlten sich trocken an. Ich kam mir vor wie der letzte Trottel, ein waschechter Vollidiot, der zwar flink mit der Faust war, aber nicht dazu in der Lage, seinen Verstand zu benutzen. Auch meine Frage war dumm, aber nun war sie ausgesprochen.
Ganci beantwortete sie dennoch. »Eine Frau weiß stets alles von ihrem Mann. Sie kann sich blind stellen, aus Berechnung oder um des lieben Friedens willen, trotzdem entgeht ihr nichts. Martine hat mir nie etwas vorgemacht. Sie hat es mir nie
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