Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
mit lauter kleinen roten Birnchen.
Vor unserem ersten Treffen haben wir volle drei Monate nur gechattet. Wir mochten das gleiche Essen (scharf), die gleichen Bücher (Hornby, zum Beispiel) und wir mögen den gleichen Sex (kreativ, Rollenspiele, jedes Mal anders).
Und als wir uns dann das erste Mal trafen, war alles so selbstverständlich, als würden wir das immer tun. Er fragte, wie willst du's und ich sagte so und so, und es war toll. Wirklich toll! Was soll ich anderes sagen? Echt toll!
Sein Bett, die kleinen roten Lichter, das olle Netz – ein Abend bei ihm war immer ein inszenierter Abend. Immer perfekt. Nie halb gut oder so.
Mir gefällt es, wenn die Leute sich konzentrieren können. Bei ihm war es konzentrierter Sex. Nicht während dem Essen schnell in der Küche, nicht nebenher fernsehen oder was weiß ich alles. Nein. Wenn ich ihn traf, dann führte er mich mit diesem Knie erweichenden Blick gleich ins Schlafzimmer, wo schon alles bereit war, Lichter, Bett und jede Menge Utensilien.
Oft sagte er, mach mal, und ich ließ mir was einfallen, und dann wieder sagte er mir genau, wie es heute laufen sollte, es gab auch bestimmte Nummern, die orientalische oder die Hausfrauen-Nummer mit Gummihandschuhen zum Beispiel und so. Er flüsterte mir seine Wünsche ins Ohr mit dieser erotischen Stimme, dass ich schon nur von der Stimme feucht wurde.
Zwischen den Treffen schrieben wir uns weiter, und es war der Kontrast zwischen den offenen und redseligen Mails, in denen wir uns gegenseitig alles gestanden und sagten, dass wir uns liebten, und uns versicherten, dass wir uns ewig treu sein würden und dann die Treffen mit dem fast wortlosen, inszenierten Sex. Echt prickelnd der Kontrast.
Er war mir immer ein bisschen fremd beim Sex. Wenn er kam und eigentlich auch schon vorher, sah er oft starr nach oben an mir vorbei, als ob er dort in eine andere Welt blicken könnte. So konzentriert war er. Toll.
Ganz ehrlich, es war das Paradies.
Ich hatte auch vorher schon Freunde. Klar waren ein paar Blöde dabei, aber es waren auch ein paar richtig tolle Beziehungen drunter. Aber nie war es so wie mit Mark. Nie so … ehrlich. Offen und keine dummen Spielchen. Keine Eifersucht. Nur wir zwei. Unsere Liebesmails und unsere ausgelassenen Sexspiele.
Hätte ich bloß diesen verdammten Stecker nicht gezogen.
Es war ein Mittwoch. Er war draußen in der Küche, und ich musste dringend meine Freundin, Alia, anrufen.
Mein Handy hatte einen defekten Akku, der ständig leer war, deshalb ging ich nur noch mit dem Ladekabel in der Handtasche aus'm Haus. Mark draußen richtete alles fürs Essen.
Das war auch so etwas. Dass er nach dem Sex immer noch Zeit hatte, meistens kochte er etwas richtig Köstliches und manchmal bestellten wir auch etwas. Und saßen uns dann am Küchentisch gegenüber. Und sahen uns verliebt in die Augen.
An dem Mittwoch hatte Alia, meine Freundin, mir eine SMS geschickt, weil sie was von 'nem Job für mich wusste. Ich suchte einen Job. Mit mehr Geld. Ich habe immer zu wenig Geld und hab's satt.
Ich räkelte mich also, vom Sex wohlig ermattet, auf dem Bett und sah in das Fischernetz, während wir sprachen. Ich hab's nicht gleich bemerkt. Erst als ich wieder zu Hause war, dämmerte es mir. Ich meine, ich hab ihm echt vertraut. Ja, vollkommen vertraut. Auch wenn du vielleicht früher schlechte Erfahrungen mit Vertrauen gemacht hast und so, aber dann eines Tages, einfach so per Internet Chat landest du im Paradies und Peng ist es wieder da; das Vertrauen. Nach den ganzen Jahren ohne. Als hätte es sich nur hinter einem Holzstoß versteckt. Vertrauen, hat mein Pappi früher immer gesagt, ist wie ein Netz, das dich auffängt, wenn du fällst (sprach's und verarschte mich).
Wie auch immer, wenn du vertraust und dann zeigt dir ein lächerliches kleines rotes Lämpchen, dass alles und zwar absolut alles für'n Arsch war, also den möchte ich sehen, der das so instantmäßig kapiert.
Bei mir ist es erst voll durchgesickert, als ich daheim war.
Dieses verdammte kleine Licht meldete sich immer wieder in meinem Kopf.
Ich hatte ja mit meinem Handy telefonieren wollen und da war eben der dauerleere Akku. Ich also das Kabel aus der Tasche geholt und nach einer Steckdose gesucht und unterm Bett eine gefunden. Verlängerungskabel mit Steckdose. Ich zog den Stecker, der drinsteckte, raus und es wurde dunkler im Zimmer. Ich sah hoch, aha, das war die Lichterkette, die da dranhing. Die mit den kleinen roten Lämpchen im
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