Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
eine perfekt geschwungene Augenbraue.
Bonnie und ich lächeln einander an.
Gäbe es eine Schutzheilige der Respektlosigkeit, es wäre Callie. Sie ist schroff und scharfzüngig und hat die Angewohnheit, alles und jeden »Zuckerschnäuzchen« zu nennen. Gerüchte besagen, dass sie eine Abmahnung in ihrer Personalakte hat, weil sie den Direktor des FBI auch so genannt hat. Ich zweifle keine Sekunde daran. Das ist durch und durch Callie.
Außerdem ist sie wunderschön – auf eine Art und Weise, um die alle sie beneiden, die über zwanzig sind, weil es eine bleibende Schönheit ist, eine Filmstar-Schönheit, der das Alter nichts anhaben kann. Ich habe Fotos von Callie mit zwanzig gesehen, und ich muss ehrlich sagen, dass sie heute, mit achtunddreißig, schöner ist als damals. Sie hat flammend rotes Haar, volle Lippen, lange Beine – sie hätte eine Karriere als Model machen können. Doch statt einer Haarbürste trägt sie eine Kanone in der Handtasche. Ich glaube, gerade durch ihr völliges Desinteresse an der eigenen körperlichen Perfektion wirktsie noch schöner, als sie ohnehin schon ist. Es ist nicht so, als hätte sie ein schlechtes Bild von sich (weit gefehlt); es ist eher so, dass ihre Schönheit eine Eigenschaft ist, die ihr nichts bedeutet.
Callie ist hart wie Stahl, klüger als die Wissenschaftler bei der NASA und die treueste Freundin, die ich mir nur wünschen kann. Ich habe nie ein Geburtstagsgeschenk oder auch nur eine Grußkarte von ihr bekommen – ihre Liebe offenbart sich durch ihr Tun.
Es war Callie, die mich gefunden hat, im eigenen Blut, neben der Leiche von Joseph Sands. Es war Callie, die mir die Waffe aus der Hand genommen hat, selbst als ich damit auf sie gezielt und den Abzug betätigt habe. Zum Glück war das Magazin leer, klick, klick, klick.
Callie gehört zu meinem Team; wir arbeiten seit zehn Jahren zusammen. Sie hat einen Master-Abschluss in Forensik und einen Verstand, der wie geschaffen ist für unseren Job. Außerdem legt Callie eine gewisse Brutalität an den Tag, wenn es um das Ermitteln geht. Beweise und Wahrheiten sind höhere Mächte für sie. Wenn die Beweislage klar ist, rollt sie stur wie ein Panzer los und walzt dabei alles platt, was ihr im Weg ist – auch Freunde und Bekannte, ganz gleich, wie gut man vorher mit ihr zurechtgekommen sein mag. Sie fühlt sich nicht einmal schuldig deswegen. Die einfachste Lösung ist, kein Verbrecher zu sein; dann kommt man prima mit ihr aus.
Callie ist nicht perfekt. Sie trägt ihre Narben nur besser als wir anderen. Sie wurde mit fünfzehn schwanger, und ihre Eltern haben sie gezwungen, das Kind zur Adoption freizugeben. Callie hat dieses Geheimnis vor jedem verborgen, sogar vor mir – bis vor sechs Monaten. Ein Killer hat es ans Tageslicht gezerrt. Die Leute mögen Callie um ihre Schönheit beneiden, doch sie hat hart gekämpft und gelitten, bis sie der Mensch wurde, der sie heute ist.
»Wir freuen uns.« Ich lächle sie an. »Danke, dass du gekommen bist.«
Sie winkt ab, als wäre das nichts Besonderes. »Ich bin wegen der kostenlosen Mahlzeiten da.« Sie mustert mich finster. »Es gibt doch kostenlose Mahlzeiten?«
Bonnie antwortet für mich. Sie geht zum Kühlschrank, öffnet die Tür und kehrt mit einer Lieblingsspeise von Callie zurück, einer Schachtel mit Schokoladendonuts.
Callie tut, als würde sie eine Träne abwischen. »Gott segne dich, Zuckerschnäuzchen.« Sie lächelt Bonnie an. »Möchtest du mir helfen, ein paar davon zu verputzen?«
Bonnie erwiderte ihr Lächeln. Sie holen sich Milch, eine wichtige Zutat. Ich beobachte sie dabei, wie sie Donuts verschlingen. Dieses Bild, dieser Moment rufen einen Glücksausbruch in mir hervor. Alles ist beinahe so perfekt, wie es nur sein kann. Freunde und Donuts und freudestrahlende Töchter, das Elixier von Lachen und Leben.
»Nein, Zuckerschnäuzchen«, höre ich Callie sagen. »Niemals herunterschlingen, ohne sie vorher in Milch zu tunken. Es sei denn, du hast keine Milch. Das ist die erste Regel des Lebens, vergiss sie niemals: Der Donut ist wichtiger als die Milch.«
Ich blicke meine Freundin voller Staunen an. Sie bemerkt es nicht, ist ganz vertieft darin, ihre Donut-Geschichten zum Besten zu geben. Das alles macht Callie zu einem der mir liebsten Menschen. Ihre Bereitwilligkeit, Spaß zu haben. Unschuldig nach den niedrig hängenden Früchten der Freude zu greifen.
»Ich bin gleich wieder da«, sage ich.
Ich steige die teppichbedeckten Stufen zu meinem
Weitere Kostenlose Bücher