Der Tomorrow-Code - Thriller
einem Ort steckt man ein Blatt Papier ein und sendet es durch ein Telefonkabel, und an einem anderen Ort kommt es wieder heraus.«
»Nein, tut es nicht.«
»Doch«, beharrte Tane. Er ließ sich wieder mal auf einen Streit ein, obwohl er wusste, dass sie am Ende doch recht behalten würde.
»Nein, tut es nicht«, wiederholte Rebecca. »Am anderen Ende kommt doch nur eine
Kopie
des Papiers heraus. Das eigentliche Papier, das du gesendet hast, bleibt, wo es ist. Du verschickst nur ein elektronisches Bild des Papiers, so ähnlich wie ein Digitalfoto. Fax ist die Abkürzung für Faksimile, was so viel heißt wie Kopie.«
»Also ... äh ...« Tane war klar, dass er wieder mal den Kürzeren gezogen hatte.
»Wir können Bilder, Geräusche und sogar Filme über Kabel oder Radiowellen durch die Luft schicken. Aber massive Körper, das geht nicht. Nicht mal ein Blatt Papier.«
Es war gegen zehn Uhr, als sie von der Bushaltestelle nach Hause gingen und Tane plötzlich noch einmal auf das Streitgespräch mit Rebecca zurückkam, als hätten sie es nicht längst beendet. »Gut – wir können also keine Menschen durch die Zeit schicken, aber was ist mit Geräuschen, Bildern und Filmen?«
Rebecca musste darüber tatsächlich einen Moment lang nachdenken, was für Tane schon einem kleinen Sieg gleichkam. Er zog seine Mundharmonika hervor und spielte ein langsames Blues-Riff.
»Nö«, sagte sie schließlich, »wenn mich mein wissenschaftliches Verständnis nicht täuscht« – Tane war davon überzeugt, dass dies der Fall war –, »dann könnte manhöchstens Dinge in die Vergangenheit schicken. Aber nicht in die Zukunft, weil die noch nicht stattgefunden hat.«
»Aber in die Vergangenheit ginge es schon?«
»Also ... rein theoretisch. Aber angenommen, wir würden eine Art Radiosender erfinden, der über die Zeiten hinweg senden könnte. Ein Zeitensender, der Botschaften durch den Quantenschaum schicken könnte. Diese Botschaften könnte aber kein Mensch hören, weil es ja in der Vergangenheit noch keinen Apparat gab, der die Übertragung empfangen könnte.«
»Oh. Ach so«, sagte Tane und fand, dass Rebeccas Argumente wie immer Hand und Fuß hatten.
Vor Rebeccas Haus blieben sie stehen.
Alles war dunkel, nur hinter einem Fenster flackerte bläulich der Schein eines Fernsehers. Rebeccas Mutter sah mal wieder fern. Keine Überraschung, ihre Mutter tat fast nichts anderes mehr. Jedenfalls nicht, seit Rebeccas Vater gestorben war.
»Oh«, sagte Tane gedankenverloren. Er schaute zum Himmel, wo genau in diesem Augenblick eine Sternschnuppe niederging.
Und das war der Moment, in dem er eine Erleuchtung hatte. Eine Inspiration. Der Moment, in dem ihm alles vollkommen klar zu werden schien.
»Und was wäre, wenn jemand in der Zukunft schon einen Zeitensender erfunden hätte und nun Botschaften in die Vergangenheit schickt und nur darauf wartet, bis dort jemand einen Empfänger erfindet?«
Er war nicht sicher, ob sich seine theoretische Frage nicht reichlich dumm anhörte, und wartete nur auf eine Abfuhr von seiner Freundin.
Die aber nicht kam.
»Wie war das noch mal?«
»Also, nehmen wir mal an, in irgendeiner Zukunft erfindetjemand so einen Zeitensender, wie du es nennst. Und dann schickt dieser Jemand Botschaften durch dieses Schaumzeugs und hofft darauf, dass jemand in der Vergangenheit einen Empfänger dafür erfindet.«
»Also ... ich ... hm ...«
»Und wenn wir versuchen würden, einen solchen Empfänger zu bauen? Und einfach auf ein Signal aus der Zukunft warteten?«
»Das Problem ist nur, dass diese Idee mit dem Quantenschaum noch gar nicht bewiesen ist. Außerdem habe ich null Ahnung, wie man einen solchen Empfänger baut«, überlegte Rebecca laut. »Aber es ist jedenfalls eine interessante Idee.«
Das mochte recht abfällig klingen, was aber nicht der Fall war, denn es kam nicht oft vor, dass Rebecca eine Idee von Tane interessant fand. Schon deshalb war dies ein denkwürdiger Tag.
Erst später zeigte sich, dass dieser Tag aus einem ganz anderen Grund ein denkwürdiger Tag war.
»Bis morgen, Kumpel«, rief Rebecca und lief schnell über die Einfahrt auf das dunkle Haus zu.
Tane sah ihr nach, bis sie durch den Carport im Haus verschwunden war.
»Bis morgen, Kumpel«, murmelte er leise, als sie schon längst fort war.
RETTET DIE WALE
Sonntag, 27. September
Am folgenden Tag, dem Tag der Demonstration, wurde Rebecca verhaftet.
Der japanische Premierminister besuchte
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