Der Tomorrow-Code - Thriller
Auckland. Tane war sich nicht sicher, was er hier wollte. Ein Wirtschaftsgipfel oder ein internationaler Kongress, eigentlich war es ihm auch egal.
Die Demo war für den Vormittag angesetzt. Sie sollte durch das Zentrum gehen und genau dann vor dem Hotel enden, wenn der Premierminister vom Flughafen dort eintraf.
Tane packte sein Plakat mit beiden Händen und hielt es hoch, um seine Unterstützung für die Sache zu demonstrieren.
Demos machten ihm Spaß. Außerdem konnte er Rebecca unmöglich allein demonstrieren lassen. Er hatte sie auch auf die Anti-Atom-Demo und auf die Demo gegen Gentechnik begleitet. Nur bei der Demo zum Klimawandel war er erkältet gewesen und hatte nicht mitgehen können.
Wahrscheinlich hatte es auch einmal eine Zeit gegeben, als Rebecca nicht für alle möglichen Themen auf die Straßegegangen war, aber das war wahrscheinlich im Kindergarten gewesen, und Tane konnte sich nicht mehr daran erinnern.
Sie marschierten an der Spitze des Demonstrationszugs. In vorderster Front sozusagen.
Hinter ihnen begannen die Demonstranten, einen Protestsong zu skandieren: »Ichi, ni, san, shi ... tötet keine Wale, leben sollen sie. Ichi, ni, san, shi ...«
»Was soll dieses Nieseknie«, fragte er Rebecca, als die Demonstranten kurz einmal Luft holten.
Sie verdrehte ihre Augen. »Es heißt eins, zwei, drei, vier auf Japanisch. Das ist wegen ...«
»Ja, ja, ich hab's schon geschnallt«, sagte Tane, als der Spruch wieder angestimmt wurde.
»Ichi, ni, san, shi ... tötet keine Wale, leben sollen sie!«
»Danke, dass du mitgekommen bist, Tane«, sagte Rebecca nach einer Weile.
»Jemand muss doch die Wale retten!«, sagte Tane begeistert und fuchtelte mit seinem Plakat herum, wobei er versehentlich einem großen Mann mit kahl geschorenem Kopf und Lederjacke eins überzog.
»Entschuldigung«, sagte Tane.
Der Mann gab ihm mit einem Grinsen zu verstehen, dass er es ihm nicht übel nahm.
Hinter ihnen lief eine große Gruppe von Demonstranten, die in sackähnliche Umhänge gekleidet waren und rochen, als hätten sie sich seit einer Woche nicht mehr gewaschen. Vielleicht lehnten sie das Duschen genauso ab wie den Walfang.
Die Demonstration war offiziell genehmigt, deshalb wurden sämtliche Kreuzungen entlang der Strecke von Polizeiautos mit Blaulicht frei gehalten, bis der Demonstrationszug vorübergezogen war. Und nur wenige Meter vor Tane und Rebecca fuhr ein weiteres Polizeiauto voraus.
Passanten entlang der Straße winkten und riefen ihnen zustimmend zu oder starrten neugierig auf die Menschenmenge, die die ganze Straßenbreite einnahm und sich weit nach hinten erstreckte. Tane schätzte die Teilnehmerzahl auf etwa tausend, obwohl er eigentlich kein Experte für Menschenmengenschätzung war. Aber er staunte doch, dass sich hier so viele Menschen für einen Meeressäuger engagierten, der in seinen Augen letztlich ein Riesenfisch war.
Die Demonstration begann unten am Kai und führte über die Hobson Street zum Skycity-Casino-Komplex mit seinem gewaltigen, über dreihundert Meter hohen Sky Tower.
Unmittelbar vor dem Casino bogen sie rechts in die Victoria Street ein und blieben an der Einmündung zur Federal Street stehen, wo sich das Hotel der japanischen Delegation befand.
Ein Sturm der Zustimmung erhob sich aus der Menge, als das Banner an der Fassade des City-Hotels in ihr Blickfeld kam: ein riesiges Bild von einem Wal, der über die Slipanlage eines japanischen Walfängers gezogen wird, und darüber die Worte »Nur für die Forschung?«
Rebecca sah Tane an und grinste stolz. Er ballte seine Hand und boxte in die Luft. Genau in diesem Augenblick wurde eine Fensterputzergondel zu dem Banner hinabgelassen.
Hölzerne Straßensperren hinderten die Demonstranten am Weitergehen. Sie mussten warten, blockierten aber singend und Sprüche skandierend die Straße.
Kurz darauf fuhr der Konvoi des Premierministers vor. Zuerst kam ein Polizeiauto, dann ein schwarzer Van, in dem sich vermutlich Sicherheitsleute befanden. Ihm folgte eine lange schwarze Mercedeslimousine.
Als sich die Polizisten zu einer lebenden Barrikade aufreihten,wurden die Protestrufe der Demonstranten lauter. Hinter der blauen Polizeilinie sah Tane die schlanke Gestalt des japanischen Premierministers, dem ein breitschultriger Bodyguard die Tür der Limousine aufhielt.
Mehrere staatliche Würdenträger standen zur Begrüßung vor dem Hoteleingang. Tane erkannte keinen von ihnen.
Rebecca hob die Arme über den Kopf, legte
Weitere Kostenlose Bücher