Der Tote im Kofferraum
Welt?«
Delia wußte selbst nicht, warum. Sie hätte nicht sagen können, was sie dazu bewogen hatte, auf jene Anzeige zu antworten:
»Gesellschafterin für sensible Dame gesucht.
Haushaltshilfe vorhanden. Beste Bezahlung.«
Vermutlich war es der Wunsch nach Abwechslung; aber ein bißchen Zorn spielte gewiß auch eine Rolle. Sie hatte nämlich herausgefunden, daß Claude Nicolls, ein gutaussehender junger Mann, der wunderbar tanzen konnte, mit einem Mädchen in England verlobt war, und zur gleichen Zeit hatte sie entdeckt, daß Nigel Moray, der einen Bart trug, einen Minderwertigkeitskomplex, ein überzogenes Bankkonto und künstlerische Anwandlungen besaß, sich in sie verliebt hatte. Tatsächlich wollte sie dem allen entfliehen.
Einer ihrer Freunde hatte verständnisvoll genickt. »Ich verstehe dich ja, du Ärmste. Jeder Sonderling stürzt sich, kaum daß er irgendwoher aufgetaucht ist, auf dich. Es wird Zeit, daß du aus diesem Teufelskreis herauskommst. Aber warum denn gleich Gesellschafterin?«
Auch Dr. Shaw, der als Freund ihrer künftigen Arbeitgeber sich in ihrer Heimatstadt mit ihr getroffen hatte, schien ebenfalls überrascht gewesen zu sein. »Wenn Sie gelernte Sekretärin sind, meinen Sie nicht, daß diese Art Tätigkeit für Sie dann recht unersprießlich sein wird?« hatte er gefragt. »Das glaube ich nicht«, hatte sie erwidert. »Ich habe meinen Beruf ziemlich satt. Auf jeden Fall könnte ich es versuchen, und dann sehen wir weiter.«
Und er hatte zugestimmt, wenn auch, wie es ihr vorkam, ein wenig zögernd.
»Wenn ihm bessere Bewerbungen vorgelegen hätten, wäre ich nicht genommen worden«, erzählte sie ihrer Mutter. Mrs. Hunt meinte darauf, daß wohl die meisten Mädchen mehr Verstand besaßen als ihre Tochter.
Dr. Richard Shaw, Facharzt für Innere Medizin, war Delia sehr sympathisch, und die Wärme, mit der er von ihrer künftigen Arbeitgeberin sprach, hatte sie beeindruckt. »Sie werden feststellen, daß Mrs. Warwick-Smith eine reizende Dame ist. Sie ist in letzter Zeit häufig krank gewesen, deshalb braucht sie eine Gesellschafterin.«
»Und Mr. Warwick-Smith?« hatte sie schüchtern gefragt. Doch Dr. Shaw hatte abgelenkt und nur gesagt, sie würde diesbezüglich keine Schwierigkeiten haben und den Ehemann nur selten zu Gesicht bekommen.
Nachdem alles Nötige besprochen war und Delia sich schon verabschieden wollte, fügte der Arzt noch hinzu: »Ich glaube, daß Sie Mrs. Warwick-Smith gefallen werden. Die letzte Gesellschafterin — nun, sagen wir — war eben keine.«
Delia freute sich über das versteckte Kompliment; denn der Doktor gefiel ihr: ein seriöser Mann, Anfang Vierzig, groß und schlank, mit vollem dunklem Haar, das von einzelnen grauen Strähnen durchzogen war, und forschenden dunklen Augen. Ein Mann, zu dem man als Patient Vertrauen haben kann, dachte Delia. Dann lachte sie und gab sich einen Ruck. Diesmal nicht! Dr. Shaw war schließlich ein erfolgreicher Arzt und vielleicht mit einer reizenden Familie gesegnet. Delia seufzte und beschloß, ihre unwirklichen Träumereien endgültig zu verbannen.
In dieser Hinsicht hatte sie sich eine ganze Menge vorzuwerfen. Zweifellos war sie nur viel zu gern bereit, auf gutaussehende Männer hereinzufallen, und jedesmal war sie bisher enttäuscht worden. Entweder waren sie glücklich verheiratet oder mit einer strahlenden Schönheit verlobt.
Delia wußte, daß sie selbst keine strahlende Schönheit war. Hübsch vielleicht, und anziehend, mit lockigem braunem Haar und grauen Augen, von langen Wimpern überschattet. Ja, sie sah leidlich gut aus, vielleicht sogar etwas mehr; aber eine strahlende Schönheit war sie nicht. Deshalb interessierten sich für sie auch nur ziemlich lahme Typen, die zu feige waren, die wirklich bezaubernden Mädchen zu umwerben.
Der Nebel lichtete sich etwas, und Delia schaltete in den zweiten Gang, um etwas schneller zu fahren. Im nächsten Augenblick mußte sie jedoch scharf bremsen. Ein Mann mit einem Hund war aus dem Nebel aufgetaucht, und beinahe hätte sie die beiden umgefahren.
Sie kurbelte die Scheibe herunter und lehnte sich aus dem Fenster. »Es tut mir leid, aber Sie sind in der Mitte des Weges gegangen. Sicherlich haben Sie hier kein Auto vermutet.«
Es war ihr nicht ganz geheuer, in dieser gottverlassenen Gegend einem Mann zu begegnen, der einigermaßen bedrohlich auf sie wirkte. Er war groß und stark, und über seiner Schulter hing ein Gewehr. Und das war es selbstverständlich,
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