Der Tote in der Wäschetruhe
zum Arbeitswagen mitgenommen haben. Einerseits gibt er zu, Handtasche, Portemonnaie und Brieftasche an sich genommen zu haben, dann bestreitet er es wieder. Darauf angesprochen, ob er überhaupt der Täter sein könne, reagiert er jedoch energisch. »Ich weiß genau, was ich getan habe«, sagt er mehrfach. Seine zeitweiligen »Filmrisse« erklärt der Tatverdächtige damit, dass ihm »die Sicherungen durchgebrannt« seien und er die Kontrolle über sich verloren habe.
Im Ermittlungsverfahren spielt die sexuelle Entwicklung von Gärtner eine entscheidende Rolle. Die Kriminalisten vermuten darin das Motiv für das Gewaltverbrechen. Die Hemmungen beim Flirten mit Frauen liegen auf der Hand. Das Verlangen nach intimen Kontakten ist übermächtig, doch er resigniert sofort, wenn er bei den gelegentlichen Besuchen von Tanzveranstaltungen von den Angesprochenen abgewiesen wird. Daraus erwachsen Enttäuschung, Ratlosigkeit und Hemmungen gegenüber Frauen, die in Wut und Hass gegen sie und gegen sich selbst umschlagen. Zeiten von Gleichgültigkeit wechseln mit Abschnitten starker Erregung, in denen er sehr leicht reizbar ist. Schließlich entwickeln sich sexuelle Zwangsvorstellungen, die in Ersatzhandlungen münden. Gärtner berichtet stockend von Träumen, die ihn beherrschen. Darin wird er von Frauen bedrängt und vergewaltigt, und er zahlt mit Gleichem zurück. Dabei kommt es im Schlaf zum Samenerguss. Im Traum will er auch schon Frauen umgebracht haben.
Gärtner wird darauf hin ambulant in der gerichtspsychiatrischen Abteilung der Charite Berlin untersucht. Nach dem Gespräch will er erkannt haben, dass er Gewalt braucht, um sich sexuell zu befriedigen, und dass er deshalb am Tatabend Monika Gräfe hinterhergegangen ist. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Cottbus informiert die von der Schweigepflicht entbundene Ärztin der Berliner Charite, die Gärtner begutachtet hat, über eine Begebenheit während der Untersuchung.
»Nach Abschluss des Gesprächs wurde der Proband plötzlich deutlich erregt und gespannt. Er müsse noch etwas sagen, was das Schönste sei, dass man eine Frau auf eine Folterbank spanne und sie am Hals an einem Strick sowie an den Füßen auseinanderziehe. Er kam auf mich zu, bat, das demonstrieren zu dürfen, zitterte am ganzen Körper, fasste mich an den Hals, anschließend an den Füßen, flatterte regelrecht und war auch sichtlich sexuell erregt, ohne allerdings grob zu werden, ein Verhalten, das ich bisher in einer Arzt-Patienten-Situation aus einem neutralen Gesprächsabschluss heraus noch nicht erlebt habe.«
Trotz der Abnormität auf sexuellem Gebiet kommen die Gutachter in Berlin zu der Erkenntnis, dass es keinen Grund gibt, an der Aussage von Gärtner zum Kerngeschehen zu zweifeln. Die Erinnerungslücken ließen darauf schließen, dass der Beschuldigte Informationen bewusst zurückhalte.
Beispielsweise die zum Verbleib der Tatwaffe und der Handtasche, die die Polizei nie sicherstellen konnte. Zwar hat die Kripo beim Verkehrsbetrieb drei Stelleisen beschlagnahmt, die durch die Form des Stangenendes für die Kopfverletzungen infrage kommen, doch mit Sicherheit können die Kriminaltechniker keines als Tatwaffe benennen. Auch blutverdächtige Stellen an zwei von drei Eisen helfen nicht weiter, weil die Menge zu gering ist für weitere Analysen. Dass Gärtner die Handtasche des Opfers an sich genommen hat, liegt nahe. Zu einem Mitgefangenen soll er geäußert haben: »Die Tasche finden die nie.«
Anfang Mai 1982 gibt die Staatsanwaltschaft Cottbus bei der Medizinischen Akademie »Carl Gustav Carus« in Dresden ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zu Geisteszustand, Persönlichkeitsentwicklung und tatbezogener Zurechnungsfähigkeit in Auftrag. Über einen Monat lang wird Max Gärtner in der Sonderabteilung für Untersuchungsgefangene der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik der Akademie umfassend untersucht und beobachtet. Dem inzwischen verstorbenen Gutachter, Prof. Dr. sc. med. Ehrig Lange, liegen dazu die Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft Cottbus vor. Der anerkannte Gerichtspsychologe, der die Klinik als Direktor leitet, geht behutsam vor. Zunächst steht die Persönlichkeitsentwicklung von der Kindheit bis zum Tatzeitpunkt im Mittelpunkt. Wie schon bei der Untersuchung an der Charite in Berlin berichtet Gärtner auch Professor Lange von seinen wirren sexuellen Fantasien.
Erst zum Ende der Exploration geht es um die Tat. Der Beschuldigte wird Tage vorher auf diese
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