Der Traum der Hebamme / Roman
und trinken; ihr Gemahl hatte so viele Vorkehrungen getroffen, um gegen Gift gewappnet zu sein, und war am Ende doch elendig daran gestorben.
Und sie selbst hatte auch schon mit Gift getötet: eine Rivalin, die Frau des Marschalls.
Wenn sie diesen hinterhältigen Alchimisten schon nicht loswerden konnte – vielleicht gab es eine Möglichkeit, sich sein Wissen zunutze zu machen? Dieser Gedanke bohrte in Sophia.
Er konnte schweigen, so viel stand fest. All die Jahre hatte er nie ein Wort darüber fallenlassen, was sie an jenem verhängnisvollen Tag nach Albrechts erster Niederlage vor Weißenfels besprochen hatten.
Er war ein
Gelehrter
und konnte schweigen. Durfte sie mit ihm über ihren Verdacht sprechen, dieses Ding in ihrem Leib sei die Saat des Teufels?
Konnte er es aus ihrem Leib treiben, mit geheimnisvollen Sprüchen oder Elixieren?
Vielleicht waren die Tränke, die er ihr all die Jahre gebraut hatte, gar nicht gedacht, um ihre Fruchtbarkeit zu fördern, sondern die Leibesfrucht zu töten? Seit er bei Hofe war, hatte sie jedes Kind verloren – bis auf dieses, und das war gezeugt worden, als sie und ihr Gemahl auf Sizilien weilten und Eustasius weit weg in Meißen.
Sie musste das unheilvolle Wesen loszuwerden, das in ihr wucherte und sie von innen auffraß.
Vielleicht sollte sie einfach abwarten, ob Gott sie weiterleben oder an dem Gift sterben ließ, das ihr Eustasius irgendwann reichen würde. Oder ob er sie damit von der Teufelsbrut in ihrem Leib befreite.
Ja, Gott sollte es richten.
Erzwungene Entscheidung
E s war ein regennasser, kühler Sommernachmittag, als Markgraf Konrad und seine Geleitmannschaft durch das Tor der Weißenfelser Burg ritten.
Stöhnend ließ der Fürst sich aus dem Sattel helfen und schritt dann mit steifen Gliedern und düsterer Miene Richtung Palas. Es war ein unangekündigter Besuch, und er hoffte inständig, dass Dietrich nicht etwa zur Jagd geritten oder aus anderen Gründen unterwegs war. Es gab Nachrichten, die keinen Aufschub duldeten.
Sein Blick heftete sich auf eine zierliche Frau mittleren Alters in einem schlichten, aber edlen Bliaut.
»Ihr seid die Heilerin?« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Ja, Hoheit.«
Mit Konrads Erlaubnis erhob sich Marthe aus ihrem Knicks. »Wünscht Ihr ein Mittel, um die Schmerzen zu lindern, die die Gicht Euch bereitet?«
Der Markgraf der Ostmark war nur einen Augenblick lang verblüfft. Natürlich, da gab es Gerüchte, diese Frau sei eine Zauberin, vielleicht sogar eine Hexe. Schließlich hatte sie Albrecht verflucht, der tatsächlich so gestorben war, wie sie es vorausgesagt hatte: von fremder Hand, verhasst von Gott und allen Menschen. Aber an seinem Gang ließ sich auch ohne Zauberwerk und Hellseherei erkennen, dass ihn Schmerzen plagten, und es war kein Geheimnis, dass ihm diese Krankheit in letzter Zeit immer mehr zusetzte. Es musste wohl in der Familie liegen …
Marthe versprach, sich darum zu kümmern und außerdem zu veranlassen, dass dem Fürsten ein Bad bereitet würde.
»Das warme Wasser wird Euch wohltun«, versicherte sie.
Sie hatte eigentlich vor, ein Mittel zur Herzstärkung für Susanne zuzubereiten, Hedwigs Magd, denn morgen sollte ein Bote nach Seußlitz reiten.
Sie und Susanne kannten sich seit Marthes erstem Besuch auf dem Meißner Burgberg, als Marthe noch blutjung und arm gewesen war, sprachlos vor Staunen über die Pracht bei Hofe und wenig später zu Tode erschreckt über die Gewalttätigkeit, die dort an allen Ecken und Ende unter der dünnen Schicht höfischen Benehmens lauerte. Sie hatte sogar einen Giftanschlag auf Hedwig verhindert. Gift scheint in dieser Familie eine besondere Rolle zu spielen, dachte sie schaudernd.
Mit Susanne hatte sie in Seußlitz erst nach Hedwigs Ausritt reden können, im Verborgenen, denn eine Magd durfte nicht im vertraulichen Gespräch mit einer Edelfreien gesehen werden. Sie war besorgt, denn der alten Freundin ging es nicht gut. Die Erleichterung und Freude darüber, dass der Alptraum ein Ende hatte, seien zu viel für sie gewesen, meinte Susanne. Doch das Heilmittel musste nun warten, bis die lindernden Umschläge für Konrad bereitet waren.
Das Badewasser für den Markgrafen der Ostmark war noch nicht einmal heiß, als zwei weitere Reiter das Burgtor passierten. Clara lief gerade über den Hof und erkannte einen von ihnen. Es war ungewöhnlich, dass jemand mit einer Augenbinde im Sattel saß, aber sein Begleiter führte die Zügel seines
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