Der Traum der Hebamme / Roman
fränkischen Heeres vor Akkon geworden, nachdem Ludwig von Thüringen auf den Tod erkrankt war. Jetzt war er also König, auch wenn er sich nicht mit diesem Titel anreden ließ, weil er nicht in Jerusalem gekrönt worden war.
Gespannt darauf, was sie erwartete, ritten Thomas und Dietrich mit ihren Begleitern ein zweites Mal auf den Hof des Palastes. Jetzt erst hatten sie ein Auge für die Blütenpracht, die reichverzierten Brunnen, die verschlungen Muster an den Wänden.
Bevor die Gäste den Audienzsaal betreten durften, führten Diener jeden von ihnen in eine Badekammer.
Es verschlug Thomas die Sprache angesichts solch verschwenderischen Überflusses. Licht fiel durch schmale, gemusterte Holzgitter vor den Fenstern, die Wände waren über und über mit Ornamenten bedeckt, wie er es schon im Byzantinischen Reich und in Antiochia bewundert hatte. In einem fein ziselierten Messinggefäß brannten Räucherwaren und verbreiteten einen fremdartigen, doch angenehmen Duft. Das Becken war in den Boden eingelassen und mit Steinmustern umfasst, das Wasser sogar warm!
Er legte die Waffen ab, zerrte sich die schon wieder durchgeschwitzten Sachen vom Leib und stieg vorsichtig hinein. Am Rand des Beckens standen kleine Fläschchen; er zog die Stöpsel heraus und roch daran, dann stellte er sie wieder zurück und hielt lieber Ausschau nach Seife.
Zu spät fiel ihm auf, dass hier keine Tücher zum Abtrocknen lagen. Da war er schon vollends untergetaucht, genoss die Wärme und Frische und blieb so lange unter Wasser, wie er den Atem anhalten konnte.
Dann tauchte er schnaubend wieder auf, strich sich die nassen Haare zurück, ließ seine Gedanken fließen und konnte sich nicht dazu durchringen, das schmeichelnde Wasser zu verlassen.
Zwei Diener traten ein, einer trug einen Stapel Kleider, ein anderer breitete ein Leinentuch aus – offensichtlich erwartete er, dass Thomas aus dem Wasser stieg und sich von ihm abtrocknen ließ. Das ging dem jungen Freiberger aber doch zu weit.
Er riss dem verwunderten Diener das Handtuch aus den Händen und bedeckte seinen nackten Körper, während er aus dem Wasser stieg. Dann blieb er stehen, bis die beiden Diener – belustigt über den barbarischen Franken – den Raum verließen. Seine Sachen und Waffen nahmen sie mit.
Nun, es war auch nicht zu erwarten gewesen, dass er bewaffnet vor den Herrscher von Jerusalem treten durfte. So blieb ihm nichts weiter übrig, als in die frischen Gewänder zu steigen, und in ihm wuchs der Wunsch, seiner Mutter und seiner Schwester solch schöne Gewebe mitzubringen.
Der Erzbischof von Mainz war der Einzige unter den Gästen des Königs, der noch seine eigenen Gewänder trug; die anderen war neu eingekleidet nach Landessitte, was sie etwas weniger fremd hier wirken ließ – aber nur etwas, und dafür umso fremder in Thomas’ Augen.
Zwei Diener öffneten die Flügel einer mit prachtvollen Schnitzereien geschmückten Tür und ließen sie in den Saal des Königs eintreten.
Der Erzbischof neigte den Kopf, die Ritter knieten nieder.
Der König – ein Enkel der berühmten Eleonore von Aquitanien und Neffe von Richard Löwenherz – war etwa dreißig Jahre alt und von nicht allzu großer Gestalt. Aber er hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht und ein energisches Kinn. Er begrüßte seine Gäste und erlaubte ihnen, sich zu erheben und Platz zu nehmen. Nicht etwa auf grob behauenen Bänken oder in steinernen Sitznischen wie in einer deutschen Burg, sondern auf golddurchwirkten Kissen. Vor ihnen standen sechseckige Tischchen mit verschlungenen Intarsien, darauf kostbare Becher aus Silber und Messing.
Thomas brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln, als er die beiden Männer links und rechts des Herrschers sah. Heinrich von Champagne befand sich in bemerkenswerter Gesellschaft.
Der hagere, etwa sechzigjährige Mann zu Heinrichs Rechten mit dem scharfkantigem Gesicht und den klugen, durchdringenden Augen musste der königliche Heerführer sein, Hugo von Tiberias, einer der angesehensten Barone in Outremer.
Und in dem Mann links vom König erkannte er am rotgelben Wappen Balian von Ibelin, den Heinrich zu einem seiner engsten Berater gemacht hatte.
Das ist also der Mann, der die Schlacht von Hattin überlebte, die Verteidigung Jerusalems leitete und dafür sorgte, dass die meisten christlichen Bewohner der Stadt lebend abziehen konnten!, dachte Thomas beeindruckt. Und der den Frieden zwischen Saladin und Richard Löwenherz mit aushandelte! Ibelin
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