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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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kleineres, aber weiches Fell bekommen. Vielleicht war er übervorteilt worden, wahrscheinlich sogar, aber da er nun hatte, was er wollte, war er zufrieden.
     
    Notker hielt sich diesmal nicht im Krankensaal auf. Das kam Thomas für sein Vorhaben entgegen.
    Mit bedächtigen Schritten ging er auf das Mädchen zu, um sie nicht zu verschrecken. Wie stets tat Eschiva so, als ob sie ihn nicht bemerkte. Sie kauerte neben dem Bett des Alten, der schlief und dabei besorgniserregend röchelte, in ihren Augen standen Tränen.
    »Für dich. Damit du nicht länger auf dem nackten Boden schlafen musst«, sagte er und hielt ihr das Fell entgegen.
    Langsam sah sie auf, in sein Gesicht – nicht voller Freude, wie er erhofft hatte, und auch nicht voll Entrüstung oder Verachtung, wie er befürchtet hatte, sondern mit einem Ausdruck von Leid und Stolz, der ihm durch und durch ging.
    »Ich bin nicht für diesen Preis zu haben«, sagte sie in einem fremd und altertümlich klingenden Deutsch. »Und auch nicht für einen anderen Preis.«
    Dann wandte sie sich ab und starrte zum Fenster, immer noch vor dem Bett kauernd.
    »Du verstehst mich falsch«, sagte Thomas hastig. »Es ist ein Geschenk! Ich will nichts dafür.«
    Noch einmal wandte sie sich zu ihm um. »Ihr seht nicht so aus, als könntet Ihr Geschenke machen, auch wenn Ihr ein Ritter seid.«
    Ihre Stimme war so zart wie ihre Statur, trotz der harten Worte.
    »Ich wollte nur, dass du es etwas bequemer hast.« Thomas legte das Fell vor ihr auf den Boden, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
    Er war schon fast an der Tür, als er vom Fenster her ein leises »Danke« hörte. Es klang, als müsste sie sich das Wort aus der Kehle zwingen.
     
    Zwei Tage später sah er, wie Eschiva völlig aufgelöst aus dem Haus stürzte. Er folgte ihr und fand sie in der hintersten Ecke das Gartens vor, wo niemand sie sehen konnte, der nicht dort nach ihr suchte, kauernd, die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, den Kopf auf die Knie gesenkt.
    Vorsichtig näherte er sich ihr.
    »Gehst du denn nie nach Hause?«, fragte er freundlich.
    Sie hatte ihn kommen hören, hob aber jetzt erst den Kopf. »Nur manchmal, um rasch etwas zu holen oder mich zu waschen. Es ist gefährlich …« Sie verstummte, und aus ihren Augen sprach Angst.
    »Du musst deinen Mann sehr lieben. Und er darf sich glücklich schätzen, von dir so umsorgt zu werden«, versuchte er, das Gespräch in eine unverfängliche Richtung zu lenken.
    »Er war sehr gut zu mir«, antwortete sie leise nach einigem Zögern. »Aber er wird diese Nacht nicht überleben. Dann kann ich nicht mehr ins Haus zurück. Betet für mich, damit mich die Brüder hier lassen und ich bei der Pflege der Kranken helfen darf … Doch vorher muss ich noch einmal ins Haus, sein Totenhemd holen. Und ich fürchte mich …«
    »Soll ich dich dorthin begleiten?« Er wies auf sein Schwert. »Ich kann dich beschützen.«
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, auf ihrem Gesicht zeigte sich eine vage Spur von Hoffnung. Dann holte sie tief Luft und begann, ihre Geschichte zu erzählen – vermutlich zum ersten Mal.
    Ihre Eltern waren armenische Christen, wie Notker gesagt hatte, und nach Jerusalem gezogen, weil sie angesichts der Armut in ihrer Heimat dort auf ein besseres Leben hofften.
    »Als Saladin vor zehn Jahren die Stadt einnahm, da war ich sechs. Wir alle zitterten, es würde ein Blutbad geben wie fast hundert Jahre zuvor, als die Christen Jerusalem eroberten. Die Mauern wurden tagelang bestürmt und mit Wurfmaschinen beschossen, eine große Bresche war schon geschlagen, und wir hockten in unseren Häusern und beteten um unser Leben. Aber der große König Saladin ließ Milde walten. Jeder Christ dürfe sich freikaufen, hieß es: zehn Dinare für einen Mann, halb so viel für eine Frau, einen Dinar für ein Kind. Die Menschen rannten jubelnd durch die Straßen, als sie es hörten. Doch wir gehörten zu den Armen, wir konnten das Geld nicht aufbringen, und niemand wollte es uns leihen. Bald ging die Kunde um, der Verteidiger der Stadt habe mit Saladin über das Schicksal der Armen verhandelt, die das Lösegeld nicht zahlen konnten. Er bot an, mit dem Geld aus dem Schatzamt Jerusalems diese Menschen auszulösen, und konnte Saladin dazu bewegen, noch mehr Milde zu zeigen und die geforderte Summe zu senken.«
    Das muss Balian von Ibelin gewesen sein, dachte Thomas, der sich noch genau an die Begegnung mit dem Mann im Palast des Königs

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