Der Traum der Hebamme / Roman
Arm einmassieren sollte. Der Geruch erinnerte ihn an die Salbe, die seine Mutter ihm vor der Schlacht um Weißenfels dort aufgetragen hatte. Vermutlich waren die Zutaten ähnlich, nur dass bei dieser Hitze eine Salbe schnell ranzig werden würde.
»Gib auf dich acht und komm lebend zurück!«, hatte sie ihm zum Abschied gesagt und tapfer gelächelt. »Du wirst hier sehnsüchtig erwartet.«
Und dann sah sie ihm in die Augen und forderte ihn eindringlich auf: »Kämpfe um dein Leben! Wirf es nicht weg!«
Sie hatte erkannt, wie ihm zumute war, so wie es auch seine Mutter und seine Schwester erkannt hatten. Aber er würde jetzt nicht mehr leichtsinnig sein – er wollte Eschiva wiedersehen und jede Nacht mit ihr verbringen.
Bisher hatten er und die meisten anderen den Kriegszug unter dem Kommando Heinrichs von Brabant unverletzt überstanden, was vor allem daran lag, dass sie nur wenig zu kämpfen hatten.
Sidon war verlassen und zerstört, als sie es einnahmen, und auch Beirut fast vollständig aufgegeben; der Emir hatte angesichts des anrückenden Heeres sogar die Befestigungen schleifen lassen. Nur um die Zitadelle musste noch gekämpft werden, aber die war schnell erobert. Sie konnten ein paar hundert christlichen Sklaven, die dort gefangen gehalten wurden, die Freiheit schenken, erbeuteten große Mengen an Waffen und Proviant.
So hatten die Franken ohne größere Verluste die Seeherrschaft über diesen Teil der Küste erlangt und gingen sofort daran, die Befestigungsanlagen wieder aufzubauen. Für diejenigen, die nicht zu Bauarbeiten herangezogen wurden, folgten gemächliche Tage.
Hermann von Salza warf einen Blick auf die Schachfiguren und meinte leichthin: »Gebt Euch geschlagen, Markgraf, sonst seid Ihr in fünf Zügen schachmatt.«
Konrad starrte stirnrunzelnd auf das Brett, dann erfasste er die Absicht seines Gegners und breitete die Arme aus. »Euer Sieg, Landgraf!«
Er lehnte sich zurück und ließ sich von einem Knappen Wein nachschenken.
In wenigen Tagen sollte hier in Beirut die Wahl des neuen Königs von Jerusalem stattfinden, und danach erst würde entschieden, ob das Heer nun nach Jerusalem reiten oder sich wieder nach Tyros und Akkon zurückziehen sollte.
Der Landgraf von Thüringen hatte die Schachfiguren nicht neu aufgestellt, sondern folgte dem Blick seines Schwiegersohnes, der die Augen leicht zusammengekniffen hatte und einem Mann entgegensah, der mit hastigen Schritten auf sie zugerannt kam. Seine aufgeregte Miene verhieß keine guten Neuigkeiten.
Vor den Fürsten kniete er nieder und brachte stoßweise atmend hervor: »Der Kaiser ist tot!«
Jeder, der in dieser Runde saß, spannte sich auf einmal an, niemand sagte ein Wort.
»Der Kaiser ist tot, Gott sei seiner Seele gnädig«, wiederholte der Bote, immer noch keuchend. »Er ist Ende September dem Sumpffieber erlegen. Der Fürstenrat tagt jetzt gleich in der Unterkunft des Erzbischofs von Mainz, um zu beraten, wie vorzugehen ist.«
Hermann von Thüringen, Konrad von der Ostmark und auch Dietrich von Weißenfels erhoben sich sofort, um zu dem Palast zu reiten, in dem Konrad von Mainz Quartier bezogen hatte. Als einer der Anführer bei der Einnahme Akkons vor sechs Jahren und Sohn eines Markgrafen gehörte Dietrich diesem Rat an, obwohl er nur ein Graf war.
Im Gehen warf er Thomas einen Blick zu, der verriet, dass sie in diesem Augenblick wieder dasselbe dachten: Jetzt steht alles auf Messers Schneide; jetzt kann das Schicksal eine ganz neue Wendung nehmen.
Sie hatten schon einmal den Tod des Kaisers während einer Wallfahrt miterlebt. Noch am gleichen Tag war der größte Teil des Heeres umgekehrt, getrieben vom Entsetzen über das Ableben Friedrichs von Staufen, dem Verdruss über die hohen Verluste und den Strapazen des Weges.
Doch starb ein Kaiser, ohne einen handlungsfähigen Nachfolger zu hinterlassen, war die Lage noch viel bedenklicher. Jetzt musste jeder sehen, wie er sein Land und seinen Besitz über die drohenden unruhigen, vielleicht sogar kriegerischen Zeiten rettete, denn Heinrichs Sohn und Erbe war noch nicht einmal drei Jahre alt.
Wie stets in Momenten, in denen er ungestört nachdenken wollte, ging Thomas zu den Pferden. Dort behandelte Wito, Raimunds bester Reiter und Sergent, gerade die eiternde Wunde eines jungen Hengstes. Neben ihm stand Bruder Notker, einer der fünf pflegenden Brüder, die mit dem Heer gezogen waren, träufelte eine streng riechende Flüssigkeit auf ein Tuch und drückte es auf die
Weitere Kostenlose Bücher