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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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tanzten und flackerten fröhlich vor ihren Augen.
    Sie war also zurück, denn dies war der verzierte Kerzenleuchter auf Marcos Tisch, nicht der mit den silbernen Kerzen an diesem anderen, seltsamen Ort. Sie saß sehr still und wagte kaum zu atmen, aus Angst, sie könnte noch einmal dorthin gerissen werden.
    Vincent befand sich neben ihr, seine Hand hielt ihre Hände umklammert.
    Ohne es bewusst zu wollen, fing sie an zu sprechen. »Der Gedanke nahte behutsam und heimlich, und es muss wohl lange gedauert haben, bis ich ihn ganz begriffen hatte; aber eben als mein Geist endlich dazu gelangt war, ihn recht eigentlich zu empfinden und zu nähren, verschwanden die Gestalten der Richter vor mir wie durch Zauberei; die hohen Kerzen sanken in nichts zusammen; ihre Flammen verloschen; schwarze Finsternis herrschte; alle Wahrnehmungen schienen verschlungen von einem rasenden Fall, als stürze die Seele in den Hades. Dann war die Welt Stille und Schweigen und Nacht.«
    Ein Stuhl, der über den Boden schrammte. Ein Aufkeuchen. Leise Stimmen.
    »Ihre sprachlichen Fähigkeiten haben sich auf jeden Fall verbessert«, brummte jemand. Landon.
    Sie wandte den Kopf und sah in seine ernsten grauen Augen. In ihnen lag eine tiefe Traurigkeit, die er zu verbergen suchte. Von Herzen gern wollte sie ihre Hand nach ihm ausstrecken und ihm sagen, dass auch sie verletzt worden war und ihn verstand. Doch wie es schien, war sie nicht in der Lage, sich zu rühren.
    »Sie zitiert aus Edgar Allan Poes Geschichte
›Die Grube und das Pendel‹
.« Das kam von Marco.
    Millicent erschauderte. »Eine beängstigende Geschichte.«
    »Aber wo sollte sie die denn gelesen haben?«, fragte Anthony.
    »Vielleicht hatte sie gerade eine Begegnung im Äther mit dem Autor«, schlug Millicent vor und fröstelte.
    Marco legte beruhigend seinen Arm um sie. »Wohl eher im
Broadway Journal.
In meiner Bibliothek liegt eine Ausgabe davon.«
    »Aber wie zur Hölle sollte sie sich eine solche Textstelle in einem Tag einprägen, wenn sie kaum ganze Sätze sprechen kann?«, gab Vincent zu bedenken.
    Marco zuckte mit den Schultern, offenbar ebenso ratlos wie er.
    Vincent klatschte direkt vor Caras Augen in die Hände, und sie zuckte zusammen und war von einem Augenblick auf den anderen wieder voll da. Energisch stieß sie ihren Stuhl zurück und sprang auf. Als sie Vincent unter den anderen ausmachte, fiel sie ihm um den Hals und kauerte sich auf seinem Schoß zusammen.
    »Den Göttern sei Dank!«, flüsterte er in ihr Haar und nahm sie fest in seine Arme.
    Seine gesamte Familie starrte sie an, in ihren Gesichtern eine Mischung aus Argwohn, Bestürzung und Mitgefühl. Der Weihrauchduft war verschwunden. Ebenso wie der Raum mit diesen schrecklichen Männern.
    Was würden diese gütigen Menschen von ihr denken, wenn sie wüssten, was soeben geschehen war? Vielleicht hofften ihre Entführer ja darauf, dass sie davon erzählte. Vielleicht hofften sie ja, sie würde ihnen damit dabei helfen, Vincent zu verletzen. Nein, sie würde nicht davon sprechen. Sie wollte nicht davon sprechen. Sie wollte vergessen.
    Sie kuschelte sich an Vincents Brust. Er roch männlich, nach Güte und Sicherheit.
    »Was ist geschehen?«, murmelte sie.
    Vincents Kopf zuckte überrascht hoch.
    »Das fragt sie
uns?
«, äußerte jemand erstaunt. Anthony.
    »Du warst weg«, sagte Landon von irgendwo hinter ihr.
    Das brachte sie dazu, sich aufzurichten. »Ich bin verschwunden? So wie früher?«
    »Nicht ganz«, antwortete Vincent. »Dein Körper war zwar immer noch anwesend, und du warst warm und greifbar, aber du wurdest durchsichtig und fielst offenbar in eine Art Trance. Es dauerte …?«
    »Acht Minuten«, ergänzte Landon.
    »Wohin bist du gegangen?«, wollte Vincent wissen.
    »Ins Nichts. Ins Nirgendwo«, murmelte sie. Es waren dieselben Worte, mit denen sie ihm in der vergangenen Nacht auf eine ähnliche Frage geantwortet hatte.
    »Hast du in dieser Zeit irgendetwas gesehen? Oder gehört?«
    »Nein! Aufhören!«, rief sie aus. »Ich erinnere mich nicht. Nichts ist geschehen. Gerade noch war ich beim Essen, und im nächsten Moment starrten mich alle an. So wie jetzt.«
    Es war ihr unangenehm, so sehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Unbehaglich rutschte sie auf Vincents Schoß hin und her und fühlte dabei seine Männlichkeit. Hoch zwischen ihren Beinen war sie noch nass von dem Samen, mit dem ein anderer Mann sie besudelt hatte.
    Sie entwand sich seiner Umarmung, stand auf und verkündete:

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