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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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Gedanken erörtert wurden, gingen einige Leute davon, ohne mitbekommen zu haben, was dort oben gerade vor sich ging. Sie ertrugen es nicht, auf das bittere Ende des fremden Unglücks zu warten. Doch die meisten verharrten tapfer; sie wollten wissen, wie das Ganze weitergehen würde.
    Plötzlich tauchte in der Menge ein Mann auf, den eine Wolke aus Whisky und Wodka umgab – noch jemand voller verborgener Narben. Er hieß Bartholomäus, war äußerst jovial und zeitweilig sogar ungestüm. Sein wirres, doch relativ kurzes schwarzes Haar hatte seit Wochen weder Kamm noch Wasser gesehen. Er war über dreißig, hatte helle Haut, buschige Augenbrauen und ein leicht aufgedunsenes Gesicht, in dem die Schrammen seiner gepeinigten Existenz nicht zu sehen waren. Er war so betrunken, dass er über die eigenen Beine stolperte. Lallend rempelte er einige der Umstehenden an und, anstatt sich dafür zu bedanken, dass sie ihn stützten, beschwerte er sich.
    Zu dem einen sagte er: »Hey, Sie haben mich angerempelt. Sehen Sie nicht, dass ich auf der Überholspur bin?«
    Zu dem anderen meinte er: »Mit Verlaub, mein Freund, ich hab’s eilig.«
    Bartholomäus machte einige Schritte zu viel und stolperte über den Bordstein. Um nicht zu stürzen, suchte er nach dem erstbesten Halt und fiel über eine alte Dame. Die Ärmste brach sich fast das Kreuz. Sie versuchte, sich von ihm zu befreien, haute ihm ihren Stock über den Kopf und rief erschrocken: »Lassen Sie mich los, Sie Wüstling!«
    Ihm fehlte jedoch die Kraft, sich noch zu bewegen. Da die alte Dame aber unaufhörlich zeterte, versuchte er, sie zu übertönen, um sich aus der Affäre zu ziehen: »Hilfe! Hilfe! Die Frau will mir an den Kragen!«
    Die Leute, die den beiden am nächsten standen, verdrehten die Augen. Sein Trick war offensichtlich, und so zogen sie ihn von der Dame weg, gaben ihm ein paar Schubse und forderten ihn auf, zu verschwinden.
    Er wollte jedoch nicht den Kürzeren ziehen und stotterte: »Danke, Leute für diesen Sch… Sch…« – Er war so betrunken, dass er dreimal versuchte, das Wort »Schubs« auszusprechen. Dann versuchte er, sich den Staub von der Hose zu klopfen, und fiel fast wieder hin: »Das war meine Rettung vor dieser …«
    Die alte Dame wartete nur darauf, von ihm beleidigt zu werden, und hob ohne zu zögern den Stock, um ihm ein weiteres Mal auf den Kopf zu schlagen. Doch der Schlauberger verbesserte sich noch rechtzeitig: »… vor dieser reizenden Dame …«
    Dann verließ er den Schauplatz. Während er durch die Menge wankte, fragte er sich irritiert, warum die Leute alle so andächtig nach oben blickten. Wahrscheinlich war da oben ein Marsmännchen … Schwerfällig hob er den Kopf, schaute ebenfalls hoch und begann plötzlich zu brüllen: »Ich seh’s! Ich seh das Marsmännchen! Vorsicht, Leute! Es ist grün und hat Hörner! Und es hat ‘ne Knarre in der Hand!«
    Bartholomäus hatte wirklich Halluzinationen. Sein Geist war derart gestört, dass er irreale Bilder hervorbrachte.
    Bartholomäus war kein gewöhnlicher Säufer, sondern ein Unruhestifter. Abgesehen davon, dass er jede Flasche leerte, die er ergattern konnte, war er ein Spezialist in der Kunst, Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Spitzname war »Honigschnauze«. Er soff für sein Leben gern und noch lieber hörte er sich reden. Seine engsten Freunde sagten über ihn, er hätte das Labersyndrom.
    So packte er diejenigen, die neben ihm standen, und forderte sie auf, das zu sehen, was nur er sehen konnte. Diese versuchten, sich mit Stößen und Schmähungen von ihm zu lösen.
    Der Betrunkene stammelte: »Was sind die Leute unhöflich! Nur weil ich das Marsmännchen zuerst gesehen habe, sterben sie vor Neid!«
    Währenddessen hatte sich der angehende Selbstmörder auf dem Dach der Alpha-Holding davon überzeugen lassen, dass er eigentlich seinen Vorurteilen statt seinem Leben ein Ende setzen sollte, denn seine Auffassungen von Leben und Tod waren hohl und oberflächlich. Er war immer stolz auf seine Gelehrsamkeit gewesen, doch nun musste er sich seine Unwissenheit eingestehen, was für jemanden, der sich für einen brillanten Denker hielt, kaum vorstellbar und sogar schmerzhaft war. In der akademischen Welt schien er über weitreichendes Wissen zu verfügen, mit dem er sich gern brüstete, doch noch nie waren ihm wenige Minuten, in denen er seine Dummheit erkennen musste, so lang vorgekommen.
    Wie eine warme Dusche überströmte ihn das Gefühl der Seelenruhe, das jener Mann

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