Der Tribun
Wieder dröhnten die Schilde, und Schlamm spritzte vom Boden auf.
»Das reicht!« Die Stimme des Tribuns peitschte über den Platz. »Wegtreten!« Seine Hand wies auf den exzellenten Schreiber und seinen Partner. »Ihr beiden dahinten – ihr bleibt!«
Gehorsam trennten sich die Kämpfenden, ließen Schilde und Schwerter sinken und schwenkten wie Gespanne zu ihren Einheiten ein. Valens und sein Kampfpartner waren kaum einen Schritt zurückgetreten; aufrecht standen sie voreinander, erwarteten neue Befehle.
Der Tribun griff an seine Schulter und löste die Fibel, die den Mantel hielt. Das herabgleitende Tuch fing einer der beiden Gefreiten auf. Cinna warf dem Centurio einen Blick zu. »Gib mir deinen Helm.«
In den Reihen der Rekruten erhob sich ein Raunen. Der Centurio schnaubte, ehe er das Band von seinem Gürtel löste und Cinnas Begleiter den Helm reichte. Wortlos winkte der Tribun einen Soldaten zu sich und wies auf dessen Rüstung. Anders als sein Hauptmann war der Soldat bereitwillig aus der Reihe getreten, schälte sich aus dem schweren Kettenhemd und übergab es dem Stabsoffizier mit beiden Händen.
Nachdem der Tribun sich vor aller Augen gewappnet hatte, betrat er den Übungsplatz und näherte sich Valens, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Der junge Soldat ahnte wohl – nein, er musste wissen, was ihn erwartete, und die umstehenden Rekruten verrenkten sich die Hälse, um nichts zu verpassen.
Als Cinna neben Valens’ Kamerad stehen blieb, streckte er die Hand aus, ohne ihn anzusehen. Sein Blick war auf Valens geheftet, ein kalter, undurchdringlicher Blick, unter dem der junge Mann Haltung annahm und dabei zu schrumpfen schien.
Zögernd ließ sein Kamerad den schweren Schild los, den Cinna schwungvoll im Kippen abfing. Das Übungsschwert legte er in die geöffnete Hand des Tribuns und entfernte sich auf eine kaum merkliche Bewegung der Waffe hin.
Valens rührte sich nicht.
»Dann zeig mal, was du kannst, Tiro!«
Sofort verschwand Valens hinter seinem Schild und schob sich mit einem raschen Schritt vorwärts. Krachend prallten die Schilde aufeinander. Der Rekrut stach mit dem Schwert über den Rand des Schildes hinweg nach dem Gesicht des Gegners. Geschickt nahm dieser den Oberkörper zurück und vollzog eine leichte Drehung, die Valens’ energisches Vorrücken ablenkte. Der Rekrut stolperte zwei Schritte vorwärts, dann traf ihn Cinnas Schwert an der Schulter.
»Eins.«
Das Kettenhemd hatte den Hieb gebremst. Valens rappelte sich auf. Er grub die Zähne in die Unterlippe, und seine Kiefermuskeln schwollen an.
»Komm schon!« Grinsend stocherte Cinna mit dem Schwert nach ihm.
Im Verlauf des Sommers hatte Cinna zahlreiche Kämpfe dieser Art ausgefochten und so manchem Rekruten eine empfindliche Niederlage beigebracht. Nur gestandene Centurionen und erfahrene Kämpen wurden mit diesem Mann fertig, dessen Wendigkeit berüchtigt war. Ein Schüler des legendären Gladiators Andarix.
Cinna war nicht entgangen, dass Valens’ Schildarm bereits erlahmte. Er hatte leichtes Spiel. Der junge Soldat versuchte es mit einem schnellen Ausfallschritt, drängte nach, riss das Schwert hoch. Cinna hob den Schild. In Valens’ Deckung zeigte sich eine Lücke, in die Cinna die Klinge fahren ließ. Der Treffer entrang Valens ein Ächzen.
»Zwei.«
Hart schlug Valens’ Waffe gegen Cinnas Schläfe. Der Helm schützte ihn, doch er taumelte rückwärts, bis er das Gleichgewicht wieder fand. In Valens’ Augen glitzerte heller Triumph.
»Wie du willst, Tiro.«
Mit einem Satz griff Cinna an, bedrängte Valens scharf und lenkte geschickt den Gegendruck ab, ohne selbst nachzugeben. Er stieß mit dem Schwert nach Valens’ Gesicht, der nach hinten auswich, den Halt verlor. Hilflos ruderte sein rechter Arm in der Luft. Als Cinna die hölzerne Waffe gegen seine Schulter schlug, schrie Valens auf und fiel hintenüber, dass der Schild auf ihn prallte und ihm den Atem nahm.
Mit einem Tritt beseitigte Cinna die Last, stemmte die Stiefel zu beiden Seiten des Gestürzten in den Morast und richtete die Spitze der Waffe auf seine Kehle.
»Das reicht nicht, Rekrut.«
Cinna wandte sich ab und warf Valens’ gaffendem Kameraden die Übungswaffe zu, ohne den Unterlegenen weiter zu beachten, der noch immer auf dem Boden lag. Der Rekrut presste beide Hände auf die getroffene Stelle an der Halsbeuge und wagte nicht hochzublicken. Nur mühsam rappelte er sich auf, kauerte stumm zwischen den Pfützen, während einer der
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