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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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hielt ihren Strickstrumpf in der Hand und quälte sich, Masche auf Masche abzuheben. Es machte ihr Mühe mit den heißen, feuchten Fingern. Die Nadeln saßen so fest in den Maschen, daß sie kaum zu schieben waren. Sie glühte wie eine Rose bei ihrer sauren Arbeit, und der graue Strumpf, der eigentlich weiß sein sollte, wurde öfters aus der Hand gelegt. Nun fielen auch noch einige Maschen herunter, und Fräulein Güssow, die anwesend war, forderte Ilse auf, einmal zu versuchen, ob sie dieselben nicht allein wieder aufnehmen könne. 
    »Ich kann das nicht,« sagte Ilse, »die Nadeln kleben so, ich mag sie nicht mehr anfassen.« 
    »Wasche dir die Hände,« riet Fräulein Güssow, »dann wird es besser gehen.« 
    »Das hilft nicht,« erwiderte Ilse unmutig und legte das Strickzeug vor sich hin. 
    Die Mädchen lachten, und Grete, die ihr gegenübersaß, nahm es vorwitzig in die Hand, um den Fehler zu verbessern. 
    Ilse nahm es ihr fort. »Laß liegen,« sagte sie, »es ist mein Strumpf!« 
    Ehe noch Fräulein Güssow sie wegen ihres unpassenden Wesens zurechtweisen konnte, trat Fräulein Raimar in das Zimmer. Sie ging von einer Schülerin zur andern und prüfte deren Arbeiten, sie that dies zuweilen, um sich an den Fortschritten zu erfreuen, oder auch zu tadeln, wenn es nötig war. 
    »Nun, wie steht es mit dir, Ilse?« fragte sie. »Hast du deinen Strumpf bald fertig? Zeige ihn einmal her.« 
    Ilse that, als habe sie die Aufforderung nicht verstanden, sie schämte sich ihrer schmutzigen Arbeit. 
    »Ich will dein Strickzeug sehen, Ilse, hast du mich nicht verstanden?« 
    Etwas streng und hart klangen die Worte der Vorsteherin, und nun war es Trotz, weshalb sie den Gehorsam versagte. 
    Aufgebracht über diesen Widerstand nahm Fräulein Raimar ihr den Strumpf unsanft aus der Hand. 
    »Ich bin gewöhnt, daß meine Schülerinnen mir gehorchen und du wagst es, dich zu widersetzen? – Seht einmal Kinder,« fuhr sie fort und hielt mit spitzen Fingern das Strickzeug in die Höhe, »was sagt ihr zu dieser Arbeit? Sieht sie wohl aus, als ob sie einem erwachsenen Mädchen angehöre? Schäme dich! Niemals wieder will ich ein so unsauberes Strickzeug sehen.« 
    Aller Augen waren auf dasselbe gerichtet, und einige Pensionärinnen glaubten sich durch die Frage der Vorsteherin berechtigt, ein Wort mitzureden. Die vorlaute Grete meinte, daß ihre kleine fünfjährige Schwester daheim weit besser und sauberer stricke, ihr Strumpf sähe wie Schnee gegen Ilses aus, sie dürfe aber auch niemals mit schmutzigen Händen stricken. 
    Die ästhetische Flora verglich das façonlose Ding mit einem Kaffeebeutel, ein Vergleich, der Annemie so in das Lachen brachte, daß sie sich gar nicht wieder beruhigen konnte. 
    Was in diesem Augenblicke in Ilses Innerem vorging, ist schwer zu beschreiben. Sie sah sich verlacht und verspottet von allen Seiten und durfte sich nicht dagegen verteidigen. Ihr heißes Blut, ihre unbändige Natur bäumten sich mit aller Macht auf gegen die, wie sie glaubte, ihr öffentlich angethane Schmach. Sie geriet in eine so blinde Wut, wie sie bis jetzt noch niemals empfunden hatte, sie ballte die Hände und biß hinein, ihre Augen füllten sich mit heißen, trotzigen Thränen. 
    Fräulein Raimar hatte bereits das Zimmer verlassen, doch die Thür desselben hinter sich offen gelassen, sie hielt sich noch auf dem Korridor auf. Welchen Aufruhr sie in Ilse heraufbeschworen, ahnte sie nicht, sie würde ihn auch schwerlich begriffen haben, glaubte sie doch fest, durch eine öffentliche Beschämung Ilses Widerstand ein für allemal geheilt zu haben. Wie wenig verstand sie ein leidenschaftliches Gemüt! Gerade das Gegenteil hatte sie hervorgerufen. Ilses wilder Trotz stand in lichterlohen Flammen. 
    »Neckt sie nicht!« gebot Fräulein Güssow, die Ilse besser verstand. »Ich will nicht, daß ihr sie auslacht!« 
    Und Nellie, die einzige, welche mitleidig dem ganzen Auftritt zugesehen, nahm gutmütig den verachteten Strumpf in die Hand, um ihn wieder in Ordnung zu bringen. 
    »Laß!« rief Ilse und ihr ganzer Grimm entlud sich auf Nellies unschuldiges Haupt, »laß! Was kümmern dich meine Sachen?« 
    »Gieb doch her,« bat diese sanft, »ich mach’ dich alles wieder gut.« 
    Aber Ilse hörte nicht darauf und riß es Nellie aus der Hand, und ehe noch diese sie zurückhalten konnte, warf sie im höchsten Zorne das unglückselige Strickzeug gegen die Wand. Die Nadeln schlugen klirrend aneinander und das Knäuel

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