Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
Vom Netzwerk:
sprechen willst, Ilse, dann verlasse ich dich. Du weißt, wie sehr ich dich lieb habe, dergleichen kindische Reden aber will ich nicht von dir anhören. Soll ich gehen? – willst du vernünftig sein?« – 
    Ilse schwieg und die junge Lehrerin wandte sich der Thür zu. Als sie im Begriffe war dieselbe zu öffnen, eilte Ilse auf sie zu. 
    »Bitte, bleiben Sie,« bat sie und hielt sie an der Hand fest. 
    »Von Herzen gern, wenn du mich ruhig anhören willst.« 
    Sie setzte sich auf einen Stuhl am Fenster und nahm Ilse in den Arm. 
    »Wie heiß du bist, du böser Trotzkopf,« sagte sie und streichelte ihr liebevoll die erhitzten Wangen. »Nellie, gieb Ilse ein Glas Wasser.« 
    Die Angeredete hatte stumm und still am andern Fenster gelehnt und der Freundin lautes Schluchzen mit heimlichen Thränen begleitet, jetzt sprang sie hinzu und reichte das Gewünschte. 
    »Trink einer kühle Schluck, er wird dir ruhig machen,« redete sie herzlich zu. »Du mußt nie wieder sagen, daß wir dir nicht liebten, du böse, böse Ilse! – Nicht mehr weinen darfst du, komm, ich mache deine Gesicht kalt.« 
    Und sie tauchte einen Schwamm in das Wasser und kühlte damit Ilses brennende Augen und Wangen. 
    »Nun, mein Kind,« fragte Fräulein Güssow, als Ilse sich etwas beruhigt hatte, »was gedenkst du zu thun?« 
    »Ich muß heute noch abreisen,« entgegnete sie, »hier bleiben kann ich nicht.« 
    »Also noch immer möchtest du mit deinem Kopfe die Wand einstoßen. Der Gedanke, daß du nachgeben mußt, daß es an dir ist, um Verzeihung zu bitten, kommt dir gar nicht in den Sinn! Du hast Fräulein Raimar bitter gekränkt, denkst du nicht daran, sie wieder zu versöhnen? Sprich!« 
    »Nein,« rief Ilse und warf den Kopf zurück, »Fräulein Raimar hat mich beleidigt und furchtbar gekränkt! Ich bitte sie nicht um Verzeihung! Noch niemals habe ich jemand um Verzeihung gebeten – und ich thue es auch jetzt nicht! Nein!« 
    Das war wieder ein trotziger, böser Ausfall von ihr, dennoch verlor Fräulein Güssow nicht die Geduld, sie blieb ruhig und sanft. 
    »Du batest niemals um Verzeihung, Ilse? Das wundert mich; aber du hast deinem Papa ein gutes Wort gegeben, wenn du unartig warst und er dir zürnte.« 
    »Meinem Papa!« wiederholte Ilse und sah höchst erstaunt die junge Lehrerin an. »Niemals hat er mir gezürnt, er war immer, immer gut, ich konnte machen, was ich wollte.« 
    »So,« sprach Fräulein Güssow und meinte jetzt den Schlüssel zu Ilses Eigensinn in des Vaters zu großer Nachgiebigkeit gefunden zu haben. »Und die Mama, war auch sie stets damit zufrieden, was du thatest, – kränktest du sie niemals? Sage einmal aufrichtig.« 
    Ilse blickte nachdenklich vor sich hin. Sie konnte nicht leugnen, sie hatte dieselbe oftmals durch ihren Widerstand gekränkt. 
    »Ich glaube, daß ich es that,« sagte sie zögernd. 
    »Und dann sagtest du: vergieb mir, liebe Mama, nicht wahr?« 
    Ilse schüttelte den Kopf. »Nein,« sagte sie, »niemals habe ich das gethan. Mama hat es auch gar nicht von mir verlangt, sie weiß, daß ich einmal nicht bitten kann.« 
    »Ein Kind muß bitten können! Und ein Mädchen vor allem. O Ilse! Auch du mußt es lernen, noch ist es nicht zu spät!« sprach Fräulein Güssow sehr erregt. »O Ilse, wenn doch meine Worte es vermöchten, dich so recht aus deiner Verblendung aufzurütteln! Lerne nachgeben, mein Kind, lerne vor allem dich beherrschen! Thust du es nicht, so nimmt das Leben dich in seine harte Schule und bereitet dir viel Herzeleid und Kummer. Glaube mir, Trotz und Widerstand sind böses Unkraut in einem Mädchenherzen, und oftmals überwuchern sie die besten, heiligsten Gefühle! Geh’ hinunter, Kind, bitte Fräulein Raimar um Vergebung. Ueberwindest du heute deinen harten Sinn, so hast du gewonnen für alle Zeit!« 
    Sie hatte warm und eindringlich gesprochen, und in ihren braunen Augen standen Thränen. Ilse war auch seltsam ergriffen von ihren Worten, aber Abbitte thun, – das konnte sie trotzdem nicht. 
    »Ich kann es nicht,« sagte sie zögernd, aber bestimmt. 
    »Du willst nicht, aber du mußt,« entgegnete Fräulein Güssow im höchsten Grade erregt. »Gott! giebt es denn kein Mittel, daß ich dich von deinem Starrsinn heilen kann!« – 
    »Komm, setze dich zu mir,« fuhr sie ruhiger fort, »ich will dir eine wahre Geschichte von einem trotzigen, widerspenstigen Mädchenherzen erzählen, das sein Lebensglück einer kindischen Laune opferte, und wenn du dann noch

Weitere Kostenlose Bücher