Der Turm der Könige
Geschäfte in Sevilla entwickelt, seit sich der deutsche Drucker Jakob Cromberger zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Stadt niedergelassen hatte. Durch die Schiffbarkeit des Guadalquivir war Sevilla der ideale Ort für Geschäfte, denn damals war der Transport auf dem Landweg langwierig und teuer. Ein weiterer Vorteil Sevillas war das Handelsmonopol mit der Neuen Welt. Es gibt Belege, dass Cromberger im Jahr 1512 zweitausend Fibeln an die Franziskanerexpedition verkaufte, die zur Bekehrung der Indianer in der Karibik aufbrach. Dies ist der erste bekannte Kontakt zwischen der Druckerkunst und der Neuen Welt.
Dass sich in Sevilla die größte gotische Kathedrale der Welt befand, war ein weiterer Pluspunkt. Das Domkapitel gab regelmäßig liturgische Werke in großer Stückzahl in Auftrag, was zur Folge hatte, dass die Maschinen in den Druckereien ständig in Betrieb waren. Damit war gesichert, dass regelmäßig Geld hereinkam, denn die Kirche zahlte für gewöhnlich Vorschüsse, bevor mit der Arbeit begonnen wurde.
Zwar verlor das Druckergewerbe in Sevilla im 18. Jahrhundert ein wenig an Einfluss, doch steht fest, dass es nach wie vor einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellte und von hochgestellten Persönlichkeiten der damaligen Zeit betrieben wurde. Die meisten Druckereien befanden sich in der Umgebung der Kathedrale: in der Calle Génova (der heutigen Avenida de la Constitución), Siete Revueltas, Correo Viejo, Calle Armas …
Das Gelbfieber,
Typhus Icteroides
, das im Roman so tragische Folgen für die Montenegros hat, suchte Sevilla tatsächlich Mitte August des Jahres 1800 heim. Es brach zunächst in Triana aus und breitete sich dann über den Guadalquivir in den Stadtvierteln Los Humeros, San Lorenzo und San Vicente aus, bis es schließlich die ganze Stadt erfasste. Es gab keine bekannten Mittel gegen diese Krankheit, und so bestanden die sanitären Maßnahmen lediglich darin, die Erkrankten zu isolieren und das Theater zu schließen. Die Priester verließen sich auf das Gebet und veranstalteten öffentliche Segnungen, Rosenkranzgebete, Bittmessen und Prozessionen, durch die sich die Krankheit nur noch weiter verbreitete.
Da die Sevillaner jeden Tag zu Hunderten starben, waren die Friedhöfe bald überfüllt. Den Menschen blieb nichts anderes übrig, als die Toten vor den Stadttoren aufzustapeln, wo sie von städtischen Karren eingesammelt und zu zwei Sammelgräbern am Prado de San Sebastián und in La Macarena gebracht wurden. Doch die angesehenen Bürger wollten nicht von der Tradition ablassen, ihre Toten in den Kirchen zu bestatten, und lehnten es ab, dass ihre Liebsten neben dem gemeinen Volk ruhen sollten. So wurde die Krankheit in die Kirchen getragen, den Ort, wohin die Menschen gingen, um für ihre Gesundheit zu beten.
Die Stadt war wie erstarrt. Ärzte und Priester waren am Ende ihrer Kräfte. Die Menschen bewiesen Solidarität und gründeten Komitees der Nächstenliebe, die freiwillig den Abtransport der Toten übernahmen. Mitglieder der barmherzigen Bruderschaft gingen durch die Straßen und baten um Almosen für die Bedürftigen. Aber es gab nicht nur Löbliches zu berichten; bei manchen war die Angst größer. Über tausend Bürger flohen aus der Stadt, darunter die Stadtoberen, die ihre Pflichten vernachlässigten und Sevilla in den Händen zweier wohlverdienter Ratsherren zurückließen. Es gibt auch Zeugnisse, die schildern, wie eine aufgebrachte Menge versuchte, das Pfarrhaus von San Vicente in Brand zu setzen, weil der Pfarrer sich nicht um die Gläubigen kümmerte.
Nach offizieller Schätzung fielen über 15 000 Menschen dem Gelbfieber zum Opfer (nahezu ein Drittel der damaligen Bevölkerung Sevillas). Neben unersetzlichen Menschenleben kostete die Epidemie die Stadt eine Million Reales für Schwefelsäure und Salpetersäure, um die Wohnungen und persönlichen Gegenstände auszuräuchern, die dem reinigenden Feuer entgangen waren.
Mehr als ein Leser wird darüber staunen, dass es im 18. Jahrhundert Sklaven in Sevilla gab. Tatsächlich war die Stadt lange Zeit ein bedeutender Umschlagplatz für den An- und Verkauf sowie den Export von Sklaven. Die meisten stammten aus Guinea, Senegal, Gambia, Niger, der Berberei und Río Verde. Normalerweise wurden sie von Portugiesen gefangen, die sie auf dem Seeweg zum Hafen brachten, dem
Puerto de Mulas
. Dort wurden sie zu anderen Märkten weiterverschifft oder in Ketten gelegt und zu den Stufen der Kathedrale gebracht, wo man
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