Der Überraschungsmann
ein gutes Betriebsklima empfohlen.«
»Schieß los. Womit können wir dienen?«, sagte ich fröhlich.
»Ich bin inzwischen auch ein bisschen die Karriereleiter hinaufgefallen.« Svens Augen funkelten stolz im Schein der Kronleuchter. »Barbara? Hallo? Geht’s dir gut?«
»Blendend!«, beteuerte ich und nahm einen Schluck von dem Cognac, den es zum Kaffee gab. »Wenn gerade die letzten fünfzehn Jahre deines Lebens nur noch ein Häuflein Scherben sind, ist das schon einen Asbach Uralt wert! Genau so muss man sich fühlen, wenn man vor sieben Millionen Zuschauern auf die versteckte Kamera hereingefallen ist. Prost, Justus, du Trunkenpolz!«
Justus schaute mich besorgt von der Seite an.
»Gut, also wenn es für dich okay ist, erzähle ich weiter …« Sven nahm auch schnell noch einen Schluck vom wärmenden Cognac. »Als General Manager fahre ich inzwischen fünf Luxusschiffe einer amerikanischen Reederei und habe fünf verschiedene internationale Mannschaften zu leiten. Ihre Mitglieder stammen aus achtundzwanzig verschiedenen Ländern.«
Er schaute uns über den Tisch hinweg an. In seinem Blick schwang eine Bitte mit. »Ich brauche ein sehr professionelles Coaching für den zwischenmenschlichen Bereich meiner Leute. Von ihnen werden Spitzenleistungen erwartet, und meine Crewmitglieder stehen permanent unter Stress. Sie haben kein Zuhause, wo sie zwischendurch Kraft tanken oder einfach nur mit lieben Menschen über ihre Probleme reden können. Ich spreche nicht nur von den Offizieren, ich spreche von den Wäschechinesen, den Filipinos aus der Küche, den indischen Butlern, den mexikanischen Zimmermädchen, den italienischen Musikern, den französischen Tänzerinnen und so weiter. Die Crewmitglieder hausen zu zweit oder sogar zu viert in kleinen Kabinen – da bleiben unterschwellige Aggressionen und Machtspielchen gar nicht aus. Zumal sie wie beim Turmbau zu Babel unterschiedliche Sprachen sprechen. Und soviel ich weiß, sprichst du vier Fremdsprachen, Barbara.«
Justus drückte unter dem Tisch ganz leicht mein Knie.
»Wie ihr euch denken könnt, braucht es Feingefühl, Einfühlungsvermögen und …« – Sven schenkte mir auf einmal ein ganz warmes Lächeln – »… eine ordentliche Portion Mütterlichkeit, um meine riesige Familie an Bord wieder zu einem harmonischen Haufen zu machen. Von dieser Harmonie hängt letztlich das gesamte Klima an Bord ab.«
Ich errötete vor Freude. DAS war ja mal ein fantastischer Auftrag!
»Ja, können die ganzen … ähm … Wäschechinesen und Filipinos, die indischen Zimmerboys und die … äh russischen Hausdamen …« – ich hatte ja eine Menge Einzelheiten von Lisa gehört – »… können die denn alle auf den Vollererhof kommen?«
Justus lachte. Es war ein lautes, befreites Lachen. Er legte den Arm um mich, und ich sah seine goldenen Härchen funkeln.
»Natürlich nicht«, sagte Sven schmunzelnd. »Das ist ja mein Problem. Das Coaching-Team müsste schon an Bord kommen. Für einen gewissen, sagen wir, längeren Zeitraum.«
»An … Bord? Deines … Luxusschiffes?«
»Äh, ja.«
»Und wohin fährt das?«
»Weltreise?«
»Ähm … ich …« Nun fächelte ich mir mit der Weinkarte Luft zu. »Das geht nicht – ich habe Kinder im schulpflichtigen Alter.«
»Das geht sehr wohl, liebe Barbara.« Justus tätschelte mir den Oberarm. »In Österreich herrscht Unterrichtspflicht, aber keine Schulpflicht. Du kannst deine Töchter selbst an Bord unterrichten.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe mich erkundigt.«
»Ja, also … ähm … Ich … Meint ihr wirklich?« Mir hüpfte im wahrsten Sinne das Herz vor Freude. Das war ja … Das war ja ganz unglaublich!
»Wir würden Anfang des Sommers in See stechen«, sagte Sven sachlich. »Und ein Jahr bleiben. Ihr würdet die ganze Welt sehen, deine Töchter und du. An Seetagen kümmerst du dich um die Probleme der Crew, an Landtagen geht ihr euch die Welt anschauen.«
»Eine Weltreise. Mit meinen Töchtern.«
Ich musste mir mit dem Käsemesser in den Arm stechen, um zu begreifen, dass das hier Wirklichkeit war.
»Ein bisschen Abstand tut dir bestimmt gut«, fügte Justus hinzu. »Besonders nach den jüngsten Ereignissen. Deine Wohnung würden meine Söhne sehr gern hüten. Sie und Emil wollten sowieso eine WG gründen.« Er schmunzelte. »In einem Jahr ist auch die Baustelle vorbei. Ist das nicht ein Zeichen?«
»Und … du?«
»Na ja, ich komme auch mit, wenn du nichts dagegen hast.«
Mich hielt es kaum noch auf
Weitere Kostenlose Bücher