Der Überraschungsmann
wirklich total verkorkste Leute da«, sagte er, meine letzte Andeutung missverstehend. »Ich habe mir wirklich das Lachen verbeißen müssen.«
»Ich mir auch.« Und jetzt musste ich mir schon wieder das Weinen verbeißen.
Ich wollte weg! Nur noch weg!
Wir waren oben. Unter uns leuchteten die Lichter der Stadt.
»Hier ist die Stelle, wo sich die Selbstmörder runterstürzen«, sagte Justus.
»Ich weiß«, sagte ich und deutete auf den senkrecht abfallenden Felsen, auf dem ein kleines Eisenkreuz stand. Ich drehte mich zu ihm um. »Gut, dass es dein Seminar gibt.« Gedankenverloren strich ich ihm mit dem Zeigefinger über den Arm. »Halt mich lieber fest, sonst springe ich doch noch.«
Er lächelte mich liebevoll an. »Unser nächster Auftrag könnte richtig interessant werden.« Justus nahm meine Hand und küsste ganz sanft meine Fingerspitzen.
» UNSER nächster Auftrag?«
»Barbara, ich habe dich vor einiger Zeit schon mal gefragt, ob du dir vorstellen kannst, meine Partnerin zu werden. Ganz offiziell.«
»Justus, ich kann nicht. Gib mir doch Zeit. Ich hospitiere wahnsinnig gern an den Wochenenden, ich lerne unglaublich viel bei dir, aber ansonsten muss ich erst mein Leben neu ordnen …«
»Natürlich vorerst nur beruflich.« Er legte den Arm um mich, und wir schauten ins Tal. Da unten schmiegte sich die Salzburger Altstadt an den Felsen. Hinter den runden Kuppeln funkelten zwei winzige Fenster in der Sonne: meine Wohnung. Mein neues Zuhause. Meine … Zukunft?
»Ich weiß nicht, Justus. Ich glaube, ich kann das nicht. Ich habe doch gar keine psychologische Ausbildung! Ich bin in erster Linie Hausfrau und Mutter …«
»Genau das ist dein großes Plus! Deine herzliche Ausstrahlung und dein freundliches Wesen sind ein Geschenk! Du kannst zuhören, gehst selbstverständlich auf andere ein – alles Dinge, die diese egozentrischen Einzelkämpfer mit den Dollarzeichen in den Augen erst mühsam lernen müssen. Bei dir öffnen sie sich, bevor ich das mit meinen Übungen und Rollenspielen vertiefen kann.« Er räusperte sich. »Das ist schon arm, was die für Egoprobleme haben. Die haben nie gelernt, für an dere da zu sein, die bemessen ihren Wert allein nach dem Kontostand und müssen erst kostspielige Seminare besuchen, um die einfachsten menschlichen Interaktionen zu lernen. Etwas, das der liebe Gott mit einem riesigen Füllhorn über dich ausgeschüttet hat!«
Das klang so liebevoll, so aufrichtig. Das kam aus ganzem Herzen. Aber konnte ich je wieder einem Mann vertrauen?
Ich gab mir einen Ruck.
»Gut«, sagte ich. »Du hast mir wirklich geholfen, und ich schulde dir was.«
»Du schuldest mir gar nichts.«
» Doch . Ich meine die Scherbe im Fuß. Ich schulde dir noch ein neues Hemd.«
»Na gut, das stimmt.«
»Außerdem macht mir die Zusammenarbeit mit dir riesigen Spaß. Und wenn ich diesen Leuten wirklich helfen kann, ihrem Panzer zu entrinnen …«
Kann man Liebe lernen?, fragte ich mich kopfschüttelnd. Offensichtlich nicht. Denn ich war ja am allergründlichsten reingefallen mit meiner Liebe.
Justus drückte mich an sich. »Dann können wir dem Klienten da drinnen also sagen, dass es uns für sein Vorhaben nur im Doppelpack gibt? Glaub mir, das ist ein Riesenfisch.«
»Wenn er uns beide bezahlen kann?«, sagte ich neckisch, aber Justus antwortete im Brustton der Überzeugung: »Und ob der das kann. Da steht eine riesige Firma dahinter.«
Wir schritten Arm in Arm über den Kiesweg ins Schlosshotel Mönchstein. Justus hatte das Päckchen unter den Arm geklemmt, das ich natürlich versehentlich hatte liegen lassen.
»Der Herr sitzt ganz oben im kleinen Turmrestaurant«, begrüßte uns die Hoteldirektorin, die sofort in wadenlanger Tracht hinter der Rezeption hervorkam. »Sie werden bereits erwartet!«
Ich musste mich wirklich zwingen, nicht dauernd an Volker zu denken. Ob er nach mir rief? Loslassen, Barbara!, beschwor ich mich. Jetzt würde ich mich auf einen neuen verkorksten Supermanager einlassen müssen.
Die freundliche Direktorin – Samantha Teufel mit Namen, wie das Schild auf ihrem dunkelgrauen Trachtenkostüm verriet – geleitete uns durch das edle, holzvertäfelte Treppenhaus und zeigte uns stolz im Vorübergehen die geräumigen Luxus-suiten, in denen Tom Cruise und Cameron Diaz während der Dreharbeiten zum Kinofilm Knight and Day gewohnt hatten. Ich dagegen staunte auf jedem Treppenabsatz über die wunderschöne Aussicht auf das Lichtermeer Salzburgs. Ein orangefarbener
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