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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Leute doch erst mal ankommen«, schlug ich so harmlos wie möglich vor. »Wenn sie Zeit und Lust haben, werden sie sich schon bei uns blicken lassen.«
    Ich merkte, wie meine Stimme immer angespannter wurde.
    Ich sah Volker flehentlich an. Dass er es aber auch nie schaffte, seiner Mutter mal die Stirn zu bieten!
    »Einverstanden, Liebster?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Jetzt sah ich auch, wie ein braunes Kleinklavier in das neue Haus gerollt wurde. Es ging alles blitzschnell und fast lautlos vonstatten.
    »Na ja, ein Steinway ist es nicht gerade«, sagte Leonore enttäuscht. »Eher so ein japanisches Billiginstrument.«
    »Dafür sieht die Frau hammergeil aus«, stellte Emil erneut fest. »Da ist das Klavier doch Nebensache.«
    »Können wir jetzt bitte in Ruhe frühstücken und das Thema wechseln?«, wiederholte Volker gequält. »Sonst nehme ich meine Bergschuhe und bin weg.«
    Ja, das tat Volker leider oft: einfach abhauen, wenn es stressig wurde. Dann konnte er Stunden, ja sogar ganze Wochenenden wegbleiben. In den Bergen. Deshalb versuchte ich ja, solche Situationen zu vermeiden! Manchmal kam ich mir vor wie eine der Frauen von Stepford.

2
    Bereits am selben Abend machten unsere neuen Nachbarn einen Antrittsbesuch.
    Ich räumte gerade den Abendbrottisch ab, während Volker seine Söhne wieder zu Wiebke und Leonore in ihre Seniorenresidenz an der Hellbrunner Allee fuhr, als sie klingelten. Leicht nervös strich ich mir die Haare aus der Stirn, als ich öffnete.
    »Sekunde, ich habe gerade keine Hand frei …« Lächelnd bat ich das sympathisch wirkende Ehepaar in unsere gemütliche Wohnstube. Hastig stellte ich die schmutzigen Teller in der Küche ab, wischte noch eilig die Krümel vom Tisch und warf die Schürze über eine Stuhlkante: »Bitte. Kommen Sie herein! Ich bin Barbara Wieser.«
    »Sven Ritter«, sagte der gut aussehende Mann, den ich auf Anfang vierzig schätzte. Er hatte blondes, volles Haar, ein offenes, freundliches Gesicht und eine durchtrainierte Figur. Mein erster Eindruck war der eines nordischen Hünen. Er überreichte mir, was ich bezaubernd fand, einen kleinen Blumenstrauß, den ich vor lauter Verlegenheit fast zerdrückte.
    »Ich bin Lisa Ritter«, sagte das Fräuleinwunder strahlend und drückte mir fest die Hand. Ihre Hand war fein und glatt, aber kräftig. Soeben hatte sie damit noch ordentlich zugepackt, Möbel geschleppt und geputzt. Dass sie jetzt so fantastisch aussehen konnte, machte mich fast neidisch. Sie war hinreißend, wie ein aprilfrischer Frühlingstag. Ihre schulterlangen blonden Haare fielen seidig glänzend auf die perfekt sitzende weiße Bluse, die ihre zart gebräunte Haut betonte. Ihre Augen waren so raffiniert geschminkt, dass es völlig natürlich wirkte, sie aber noch mehr strahlen ließen als ohnehin schon, und der kleine Saphir, den sie um den Hals trug, betonte ihr Blau umso intensiver. Schade eigentlich, dass Nathan und Emil schon weg sind, dachte ich. Die hätten erst gestaunt! Sie sah aus der Nähe noch besser aus als von Weitem! Wie Leonore auf das Paar reagiert hätte, versuchte ich mir lieber erst gar nicht vorzustellen. »Wissen Sie, wie viele Vorzeichen A-Dur hat?«, wäre noch die harmloseste Frage gewesen, mit denen sie die Neuen gleich mal ausgetestet hätte. »Nachdem Sie ein Kleinklavier haben, müssten Sie EIGENTLICH den ganzen Quintenzirkel in Moll rückwärts aufsagen können!« Wie gut, dass Leonore schon in ihr Senioren-Adlernest zurückgeflogen war!
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, versuchte ich ganz damenhaft meinen Hausherrinnenpflichten nachzukommen. »Willkommen in unserer Nachbarschaft.«
    »Sonnenblumenweg ist ja wirklich eine tolle Adresse«, sagte der Mann.
    »Früher haben wir in der Bahnhofstraße gewohnt!« Lisa ließ ein Lachen hören, das wie eine glockenreine Tonleiter klang. Ihre weißen kleinen Zähne blitzten wie aufgereihte Perlen. Instinktiv presste ich die Lippen aufeinander und bereute, in den letzten drei Stunden keinen frischen Lippenstift aufgelegt zu haben. Vielleicht konnte ich das kurz nachholen? Ich spähte über die Schulter und überlegte, wo sich mein allerneuester, angesagtester Lippenstift wohl gerade befinden mochte. Mir fiel aber nur der halb aufgegessene bräunliche ein, der im Gästeklo lag.
    »Mädels!«, rief ich am Fuße der Treppe. »Kommt mal runter, und begrüßt unsere neuen Nachbarn!«
    Das ließen sich Charlotte und Paulinchen nicht zweimal sagen! Natürlich hatten sie schon oben durch

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