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Der Umweg

Der Umweg

Titel: Der Umweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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zum Vorschein, auf der ein Hund abgebildet war. Sie drehte sie um. Ich komme und der Name ihres Mannes. Sie drehte die Karte wieder um, starrte den Hund an. Ein Welpe in einem Korb. Sie blickte nach Süden, zum Berg. Ja, sah ganz einfach aus, von hier.
    »War was drin?« fragte der Junge.
    »Nein«, sagte sie. »Müll. Reklame.«
    I moved the sheep (not that it is of any concern to you). Williams and Goodwin Estate Agents Valuers Surveyors and Auctioneers and I will come round on the 1st of January. Be sure to have enough cash for the lost geese . Mit einem Stück Kaugummi auf die Scheibe in der Haustür geklebt.
    »Riecht der Kerl, daß wir nicht da sind?« fragte sie.
    Der Junge antwortete nicht, er schnaubte durch die Nase.
    Sie lehnte den Erlenast an die Wand und ging ins Haus. Die Küchenuhr zeigte Viertel vor vier. Die Lichter am Weihnachtsbaum brannten. Bradwen ging ins Wohnzimmer, schob ein paar Holzscheite in den Ofen und schürte das Feuer mit dem Haken. Sie stand in der Küche, blickte auf seinen Rücken. Der sehnige Lämmerleib, immer sprungbereit, so kam es ihr vor. Sie mußte sich beherrschen, jetzt nicht im Büfett herumzukramen, nach Sachen zu suchen, die sie noch brauchte. First things first , dachte sie.
    »Du hast am Sofa irgendwas verändert«, sagte der Junge. »Es wirkt größer.«
    Sie sagte nichts.
    Er holte eine angebrochene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank. Er hatte die Jacke noch nicht ausgezogen, die Mütze noch auf dem Kopf.
    Jetzt, dachte sie. Aber wie? »Warte noch«, sagte sie.
    »Worauf?«
    »Komm mal mit.« Sie ging vor ihm her zur Haustür.
    »Was hast du vor?«
    »Komm.« Sie folgte dem Schieferweg zum Schweinestall. Sie hörte Bradwen hinter sich. Die Gänseweide war in eine orangefarbene Glut getaucht, die Stallwand zum Garten lag schon im Schatten. Sie öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. »Da«, sagte sie und zeigte auf die Betonstufen.
    »Was ist da?«
    »Schau nach. Hinten.«
    »Hast du noch ein Weihnachtsgeschenk für mich?«
    »Frag nicht soviel. Schau einfach nach.« Sie trat einen Schritt zur Seite.
    Der Junge stieg die Treppe hinunter, bückte sich, hielt sich mit einer Hand am Rand der Luke fest. »Dunkel.« Er schaute zu ihr hinauf. Wie ein Hund, dachte sie. Wie Sam, wenn er einen Befehl bekommen hat und nicht recht weiß, was er davon halten soll.
    Sie wandte den Kopf ab, suchte nach der Latte, mit der sie vor einigen Wochen das Rechteck im Rasen abgemessen hatte.
    »Daran gewöhnst du dich schnell.«
    Sie sah seine blaue Mütze verschwinden und griff nach der Klappe, die an der Wand lehnte. Die Klappe krachte auf die Luke und federte noch ein wenig nach. Sie stellte sich darauf, zog die Latte zu sich hin, ging in die Knie, schob die Latte durch zwei Bügel an den Seiten der Luke. Dann spannte sie die Muskeln an und wartete, auf ein Hämmern, auf Geschrei. Nichts. Der Junge verhielt sich still, vielleicht dachte er, es wäre irgendein Spiel. Sie erhob sich so vorsichtig, wie sie konnte, um keinen Lärm zu machen – als würde dann zwangsläufig auch er Lärm machen. Dann ging sie einen Schritt rückwärts durch die offene Stalltür. Noch einen. Jetzt war sie draußen. Es ist ja nur für kurze Zeit, dachte sie. Viel kürzer, als ich dachte. Sie ließ das Licht brennen, vielleicht nützte es ihm nachher noch etwas, das bißchen, das durch Ritzen und Spalten drang. Oder sie schaltete es doch noch aus. Sie drehte sich um, ging zum Haus zurück.
    In der Küche goß sie sich ein Glas Wein ein, nahm sich Zeit fürs Trinken. Sie wollte Radio hören, aber keine Weihnachtsevergreens. Sie wechselte von einem Sender zum nächsten, bis sie klassische Musik fand. Dann kniete sie sich hin und sichtete den Inhalt des Büfetts. Kurz danach begann die Schlepperei: eine Matratze, Bettdecken, Müllsäcke, eine altmodische Laterne, in die man eine Kerze stellen konnte, eine Plastikflasche mit Wasser. Der Kauf der Schubkarre hatte sich wirklich gelohnt, sogar die Matratze ließ sich gut damit transportieren, wenn sie genau in der Mitte auflag. Zuerst dachte sie, es wäre schon dunkel, aber sie brauchte lange genug bis zur Gänseweide, um zu merken, daß noch ein Rest Tageslicht da war, nur die orangefarbene Glut war verschwunden. Sie bereitete alles vor, irgendwo hinter ihr kollerten aufgeregt die Gänse. Während der Arbeit war ihr Kopf leer. Als sie fertig war – sie hatte sogar an eine Kneifzange gedacht, mit der sie ein Brett entfernen konnte, um das Drahtgeflecht zur

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