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Der Umweg

Der Umweg

Titel: Der Umweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Tagen nicht viel mehr als eine Knospe war, ist immer noch eine Knospe, wird wahrscheinlich nie aufgehen.
    In der Küche unterhalten sich die beiden Männer einfach in ihrer Sprache weiter, obwohl sie ihn ja kaum vergessen haben können. Oder zählt er einfach nicht? Der Mann mit dem Gips hat den Gedichtband von Emily Dickinson in der Hand. Aus einer Menge unverständlicher Laute hört der Junge die Namen Emily und Agnes heraus, und einmal »ach«. Er lehnt sich mit dem Hintern an den Herd, als wäre das sein Platz. Nach dem Keller tut die Wärme gut. Der Mann redet immer noch, er legt kurz die Hand auf ein Blatt Papier. Daneben, auch auf der ausgebreiteten Karte, liegt der braune Filzstift, einer der Stifte, mit denen er den Gartenplan zeichnen sollte. Die Reisetaschen der Männer stehen vor dem Büfett. Das Radio ist weg, auffallend leer ist die Stelle. Die Lichter am Weihnachtsbaum brennen. Jetzt nimmt der Mann eine Ansichtskarte vom Tisch, reicht sie dem Schwarzhaarigen. Der Junge lächelt. Müll , denkt er. Reklame . »Kaffee?« fragt er, vor allem, weil er selbst Lust auf Kaffee hat.
    »Wann ist diese Karte gekommen?« fragt der Schwarzhaarige.
    Der Junge hebt eine der Herdklappen und füllt Wasser und Kaffee in den Topf. »Gestern.«
    »Wird hier an Weihnachten Post zugestellt?«
    »Wahrscheinlich war sie schon länger im Kasten. Ich sehe sie jetzt zum ersten Mal.«
    »Wer bist du?«
    Allmählich kommt er sich vor wie bei einem Verhör. »Bradwen Jones.« Es tut ihm gut, seinen Namen so auszusprechen, vor allem, weil der Mann natürlich etwas anderes wissen will. Der Kaffeetopf steht jetzt auf dem Herd, auf der wärmeren der beiden Platten. Der Junge schaut aus dem Fenster, betrachtet die umgestürzte Eiche. Und plötzlich fällt ihm auf, daß mit dem Schieferweg, der vor dem hinteren Teil des Rasens endet, etwas nicht stimmt. Er hat kein Ziel, keinen richtigen Endpunkt. Irgend etwas müßte dort stehen. Er dreht sich um. Der Mann mit dem Gips starrt auf die Ansichtskarte, der andere blickt ihn an. »Bist du bei der Polizei?« fragt Bradwen.
    »Ja.« Und nach einer kurzen Pause: »Du bist ein schlauer Bursche.«
    »Wie heißt du?«
    »Anton.«
    »Und er?« Der Junge zeigt auf den Mann mit dem Gips.
    »Er ist der Mann von Agnes. Rutger.«
    »Wo ist sie?« fragt der Mann von Agnes. Rutger. Er fragt die Karte.
    Der Kaffee fängt an zu brodeln. Der Junge nimmt den Topf von der Platte und holt drei Tassen.
    »Was ist das für ein Zettel an der Haustür?« fragt der Polizist.
    »Von meinem Vater.« Mehr kann der Junge nicht darüber sagen, er hat nicht die geringste Ahnung, warum sein Vater am 1. Januar mit einem Makler vorbeikommen will.
    »Gänse?« fragt der Polizist.
    »Auf der Weide an der Zufahrt sind Gänse, ein Fuchs holt sich manchmal eine.« Er stellt zwei Tassen Kaffee auf den Tisch, holt Milch aus dem Kühlschrank und die Zuckerdose von der Anrichte. Agnes’ Mann blickt auf, ihm scheint etwas einzufallen. Er wuchtet sich hoch und zieht etwas Rechteckiges aus seiner Tasche, in Alufolie eingewickelt. Er legt es auf den Tisch, packt es aber nicht aus. Der Polizist schaut wieder ihn an. Er erwidert den Blick, ist sich seines weggleitenden Auges bewußt.
    Später liegt er in der Badewanne. Das Fenster steht offen, das Wasser ist heiß und riecht nach Native Herbs . Er hat die Holländer zum Steinkreis geschickt. Hat ihnen erzählt, daß sie sich gern dort aufhält. Wenn sie da nicht ist, hat er gesagt, dann vielleicht am Wasserreservoir, noch ein Stück hinter dem Steinkreis. Weit kann sie ja nicht sein, das Auto steht wie sonst beim Schweinestall. Von einem Dachs hat er nichts gesagt, und er wollte auch nicht mit, nein, es war ja nicht schwer zu finden, man mußte nur dem Weg folgen. Der Polizist bat ihn, nicht wegzugehen, als wäre er ein Verdächtiger in einem Vermißtenfall. Darüber mußte er lachen, und der Polizist lächelte. Sie kamen nur langsam vorwärts, sah er durchs Küchenfenster, obwohl sich der Mann mit dem Gips doch schneller bewegte, als er erwartet hätte. Rutger und Anton. Er betrachtet sein Geschlecht, das im warmen Wasser schwebt und größer erscheint, als es ist. Schwanger, denkt er. Diese Vorstellung läßt ihn nicht los, vor allem, seit er weiß, daß es einen Ehemann gibt. Und sie hatte es gewollt, hatte nicht auf Nummer Sicher gehen wollen. Wo ist das Radio geblieben? Er schließt die Augen und horcht auf das Rauschen des Bachs. Versucht die Lage einzuschätzen. Er könnte bleiben,

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