1505 - Der blinde Blutsauger
Man konnte raten, man konnte spekulieren, aber wie auch immer, für uns war dieser Mensch kein Ehrenmann. Nur konnte man ihm nichts beweisen. Er scheffelte Geld, war Aktienhändler, Baulöwe und hatte sogar eine eigene Bank gegründet. Im Internetgeschäft war er ebenfalls aktiv, doch wie er dort sein Geld verdiente, wussten wir nicht. Uns war nur bekannt, dass er auch Bordelle betrieb in Hochhäusern, die er selbst durch seine Firma hatte bauen lassen.
Dabei hatte er sich nicht nur auf London beschränkt. Er war national und international aktiv. Für einen Menschen wie ihn war Europa ein sehr weites Feld, das es zu bestellen galt. So lautete einer seiner Lieblingssätze.
Er hätte uns auch in einem seiner zahlreichen Häuser empfangen können, aber nein, es sollte der Club sein, und sicherlich musste es dafür Gründe geben.
Das Gebäude lag mitten in London. Kensington war der passende Wohnort für ihn. Wahrscheinlich hatte er alte Bausubstanz abreißen lassen, um einen künstlichen Hügel zu schaffen, auf dessen flacher Oberfläche sein Haus stand. Was heißt Haus? Es glich einem weißen Palast, bei dem auch die Säulen nicht fehlten, die das Dach des Eingangs stützten. So konnte der Besucher das Gefühl haben, in einen römischen Tempel zu schreiten, auch wenn die Ausmaße nicht ganz so wuchtig waren.
Wir waren mit dem Rover gekommen und hatten vor dem Tor erst mal anhalten müssen, weil es geschlossen war. Es hatte zwei geschwungene Flügel, die an eine Harfe erinnerten. Die weiße Farbe wirkte wie ein neuer Anstrich, und die elektronischen Augen waren auch nicht zu übersehen.
Man hatte uns angemeldet, aber wir hielten vor dem Tor an, ohne dass es sich öffnete.
Suko, dem der ganze Prunk noch weniger gefiel als mir, ließ auf seiner Stirn eine Falte entstehen.
»Verdammt noch mal, was soll das? Wir sind angemeldet. Will der uns verarschen?«
»Er zeigt uns seine Macht.«
Da sich zwischen den Streben des Harfentors Lücken auftaten, fiel unser Blick über das Grundstück bis zum Haus hin, und wir sahen auch die mit Kies bestreuten Wege, die eine Rasenfläche durchschnitten. Sie war selbst zu dieser Jahreszeit sehr gepflegt. Ansonsten friedete eine hell gestrichene Mauer das große Grundstück ein. In der Mauer links von uns sahen wir das Blinken einer Lampe.
»Du bist der Beifahrer, Suko.«
»Alles klar.«
Mein Freund stieg aus und näherte sich dem Licht. Darunter befanden sich die Rillen, die zu einer Gegensprechanlage gehörten. Da ich das Fenster auf meiner rechten Seite hatte nach unten fahren lassen, spürte ich nicht nur die kühle Luft, ich hörte auch die Quäkstimme aus den Rillen dringen. Was gesagt wurde, bekam ich nicht mit, dafür hörte ich Sukos Antwort. Er erklärte, dass wir angemeldet wären, und fügte unsere Namen hinzu.
Danach durften wir wieder warten. Suko verbrachte die Wartezeit wieder neben mir.
»Wenn wir für sie die Idioten spielen sollen, dann ohne mich, John. Das kann ich dir sagen.«
»Warte erst mal ab.«
»Das tue ich ja schon.«
Nach seiner Antwort konnte er aufatmen. Die beiden Flügel bewegten sich und schwangen nach innen.
Wir hatten freie Fahrt. Bald schon knirschte der feine Kies unter den Reifen.
Die Zufahrt war leicht bogenförmig angelegt worden. Jeder, der hier als Gast kam, sollte sie genießen. Es war wirklich beeindruckend, auf dieses Haus zuzufahren.
Weniger spaßig waren die beiden Typen, die plötzlich wie aus dem Nichts erschienen waren und uns in einen anderen Weg dirigierten, der von der Hauptstrecke nach rechts abbog.
»Aha, wir sind so etwas wie Lieferanten oder Dienstpersonal«, beschwerte sich Suko.
»Stimmt. Wir sind Dienstleister, denn wir sorgen dafür, dass auch Menschen wie Corti gut schlafen können.«
»Ja, leider.«
Es war an der Seite des Hauses ein Parkplatz angelegt worden. Auf ihn wurden wir dirigiert. Allerdings rollten wir da über grauen Asphalt, der noch die Feuchtigkeit vom letzten Regen aufwies.
Vor einem schmalen Beetstreifen hielten wir an. Dahinter lag die Mauer eines Anbaus, der uns erst jetzt auffiel.
Zwei Türen wurden geöffnet. Man ließ uns aussteigen. Die beiden Männer, die uns eskortierten, hatten glatte Gesichter und kurz geschnittene Haare. Sie steckten in grauen Anzügen, trugen weiße Hemden und Krawatten.
Sie waren die Diener, allerdings bewaffnet, aber die Pistolen oder Revolver verbargen sie unter ihrer Kleidung.
Ich schaute beim Aussteigen in ein kaltes Augenpaar und fragte: »Sie wissen,
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