Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Umweg

Der Umweg

Titel: Der Umweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
Vom Netzwerk:
natürlich! Was sollen wir denn dort? Deine Schwiegermutter kriegt man sowieso auf kein Schiff.«
    »Man kann auch fliegen.«
    »Unter keinen Umständen. Nein, hier. Bei uns. In ihrem Elternhaus. Das wird ihr guttun. Wir müssen gut für sie sorgen.«
    »Ja.«
    »Ihr habt doch sicher Hin- und Rückfahrt gebucht? Wann fahrt ihr zurück?«
    »Nein, haben wir nicht. Wir können zurückfahren, wann wir wollen. Außerdem haben wir ja dann zwei Autos.«
    »Weißt du was? Sag ihr bitte, daß ihr Onkel und ihre Tante auch kommen.« Seine Schwiegermutter meldete sich zu Wort. »Was? Einen Moment … Nein, natürlich kommt er gern, er macht sich doch auch Sorgen um sie … Wieso? … Ich garantiere dir, daß er sich nicht komisch benimmt … Tut mir leid, deine Schwiegermutter hat mit mir gesprochen. Ich kläre das gleich. Ich bin sicher, die beiden freuen sich auch.«
    »Ich gebe alles weiter.«
    Wieder ein unverständlicher Einwurf. »Was? Einen Moment. Deine Schwiegermutter fragt, wie der Marmorkuchen schmeckt.«
    »Der ist noch in der Tasche. Kommt nachher dran.«
    »Rufst du sofort an, wenn du da bist?«
    »Versprochen.«
    »Dann noch eine gute Fahrt.«
    Der Mann steckte das Handy in die Jackentasche zurück. Sein Ohr war warm geworden. »Mußt du nicht auch mal telefonieren?« fragte er den Polizisten. »Mit der Heimatfront?«
    »Wüßte nicht, weshalb«, sagte der Polizist.
    Die A55 führte jetzt an der Küste entlang. Colwyn Bay , Llandudno , Conwy . Sie wurden von einem Zug überholt, der über den Strand zu fahren schien.
    »Noch ein Stündchen«, sagte der Polizist.
    »Ich find’s schön hier«, sagte der Mann. »Und ich frage mich, was sie die ganze Zeit gemacht hat.«
    »Vielleicht lebt sie ja mit einem walisischen Bauern zusammen.«
    Der Mann lachte. Sie kamen durch ein Dorf und sahen den Zug im Bahnhof stehen. Dahinter das Meer und in großer Entfernung Land, der Mann überlegte, ob das Irland sein könnte. Kurz darauf überholte der Zug wieder. »Sie ist eine Stadtpflanze. Sie kann nicht mal einen Sperling von einer Amsel unterscheiden.«
    »Muß man das? Auf dem Land leben kann man doch auch, ohne sich mit irgendwas auszukennen.«
    »Ich würde mich einsam fühlen.«
    »Und mit dir, in der Stadt, hat sie sich nicht einsam gefühlt?«
    »Wie meinst du das?«
    Der Polizist löste die rechte Hand vom Lenkrad und legte sie dem Mann aufs Knie.
    Der ließ sie liegen, weil der Polizist der Fahrer war.
    Links abbiegen. Nach achthundert Metern links abbiegen und der Straße folgen . Bram hatte lange geschwiegen. Caernarfon stand schon auf den Schildern, noch neun Meilen. Am Kreisverkehr die dritte Ausfahrt links . »Jetzt bekommt Bram richtig was zu tun«, sagte der Polizist.
    »Kann er denn nach Häusernamen navigieren?« fragte der Mann. Er rieb über sein linkes Knie.
    »Nein.«
    »Wie finden wir dann hin?«
    Der Polizist zog eine Karte aus dem Türfach und reichte sie ihm. »Wenn du mich nicht hättest«, sagte er.
    Der Mann schaute auf den Umschlag der Karte. Snowdon / Yr Wyddfa , Explorer Map . Ein Bergsteiger in einer grellroten Jacke auf einem Felsen, im Hintergrund ein schneebedeckter Gipfel.
    »Ich hab das Haus eingekringelt«, erklärte der Polizist. »Und den Weg dahin gelb markiert.«
    Der Mann versuchte die Karte auseinanderzufalten, aber sie war viel zu groß. Zu groß und zu detailliert. Außerdem war das Falten unerwartet laut. Er legte die Karte auf seinen Schoß. Rechts war das Land hinter dem Streifen Meer näher gekommen. Das konnte nicht Irland sein. Hier abbiegen. Links halten. Dann die zweite Einmündung links . Sie fuhren durch das Städtchen Caernarfon. Die Geschäfte waren geöffnet, und es waren ziemlich viele Leute unterwegs, der Mann sah ein großes Schild mit der Aufschrift Sale!. In der Mitte eines Verkehrskreisels stand ein Baum, anscheinend eine Art Palme. Links abbiegen, dann die zweite Einmündung links . Der Mann hielt den Mund, gegen Bram kam er nicht an. Ob Boxing Day eine Art verkaufsoffener Feiertag war?
    Eine Viertelstunde später standen sie an einer T-Gabelung. » Ziel erreicht« , hatte Bram gesagt, und – kurz bevor der Polizist den Motor abstellte – » Versuche umzukehren «. »Nein, Bram«, hatte der Polizist gesagt. »Wir brauchen dich nicht mehr.« Dann hatte er dem Mann die Karte wieder abgenommen. Jetzt lag sie ausgebreitet auf der Motorhaube, der Polizist beugte sich darüber. Die Fahrertür stand offen. Es roch hier, wie es an Märztagen in Amsterdam riechen

Weitere Kostenlose Bücher